FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Artikel / Jahrgang 2009

 

Aktuelle Ergebnisse der Bindungs- und Traumaforschung
und ihre Bedeutung für die Fremdunterbringung

von Prof. Gisela Zenz

 

Vorbemerkung

Ein Blick zurück: Wer vor 30 Jahren von der Bedeutung der Bindungsforschung oder anderer entwicklungspsychologischer Erkenntnisse für die Fremdunterbringung sprach, konnte – über den engsten Kreis der Betroffenen hinaus – kaum auf Interesse rechnen und schon gar nicht auf Konsequenzen, etwa in Recht, Politik oder Sozialarbeit. „Pflegekinderforschung“  kam in Deutschland erst in  den 70er Jahren in Gang und ging zunächst eher von sozialpolitisch motivierten Kinderärzten und Sozialarbeitern aus. Die vereinzelten Stimmen deutscher Psychologen aber bekamen erst Gewicht durch die – auch in dieser Zeit einsetzende - Rezeption der Bindungsforschung, die seit den 50er Jahren überwiegend in England und den USA stattgefunden hatte, d.h. mit der  Übersetzung der heute als Klassiker geltenden Studien von John Bowlby, Anna Freud, Rene Spitz und anderen. Den ersten Anstoß zur Verknüpfung psychologischer, sozialpädagogischer und insbesondere rechtlicher Perspektiven gab ein bis heute lesenswertes kleines Buch, das in interdisziplinärer Zusammenarbeit von drei hochangesehenen Experten geschrieben worden war, von dem Juristen J. Goldstein, der Kinderanalytikerin A. Freud und dem Kinderpsychiater A.Solnit: „Jenseits des Kindeswohls“ erschien 1974 in deutscher Sprache und löste - wie zuvor schon in den USA, so auch in Deutschland – lebhafte Diskussionen aus. Wurden doch hier entwicklungspsychologisch begründete Forderungen an Gesetzgeber, Richter und Sozialarbeiter erhoben, die den gängigen Vorstellungen keineswegs entsprachen und bis heute wichtige Orientierungen geben.

Schon die Forderung nach genereller Priorität des Kindeswohls in Sorgerechtsstreitigkeiten gehörte damals durchaus nicht zum festen Bestand eines familienrechtlichen Denkens, das stark am Elternrecht orientiert war. In einer nach wie vor bedenkenswerten Formulierung regten die Autoren an, die optimistische „Gewährleistung des Kindeswohls“ durch die bescheidenere Suche nach der „am wenigsten schädlichen Alternative“ für das jeweilige Kind zu ersetzen. Und für diese Suche stellten sie neue Wegweiser auf. Die Feststellung etwa, daß die für ein Kind entwicklungsnotwendige „psychologische Beziehung zwischen Kind und Eltern“ unabhängig von der Blutsverwandtschaft bestehe, daß sie sich auf das tägliche intime Zusammenleben gründe und daß diese Rolle von biologischen Eltern,  Adoptiv- und Pflegeeltern „in gleicher Weise“ wahrgenommen werden könne, war ebenso wenig selbstverständlich wie die Forderung, daß „Entscheidungen über Unterbringung...dem Bedürfnis des Kindes nach langdauernden Bindungen Rechnung tragen (sollen)“, daß sie sich „nach dem kindlichen, nicht nach dem Zeitbegriff der Erwachsenen richten (sollen)“ oder daß „Kinder in Unterbringungsstreitigkeiten volle Parteifähigkeit... und das Recht auf anwaltliche Vertretung haben (sollen)“. 

Um Gehör für diese Forderungen beim Gesetzgeber, bei Gerichten und Jugendämtern zu finden, brauchte es einen langen Marsch durch die Institutionen, und der ist bis heute nicht abgeschlossen. Immerhin billigte in den 80er Jahren das BVerfG der Pflegefamilie grundrechtlichen Schutz nach Art. 6 Abs.1 GG zu, der bis dahin nur für die biologische Familie in Anspruch genommen worden war. Die Bindungen des Kindes fanden an verschiedenen Stellen Eingang in die Gesetzgebung, ebenso die Rücksicht auf das Zeiterleben von Kindern, wenn es um Trennungen - von leiblichen oder Pflegeeltern geht (§ 1632 IV BGB, § 37 I SGB VIII) und schließlich auch die anwaltliche Vertretung von Kindern in Form der Verfahrenspflegschaft  (§ 50 FGG). Diese allerdings kam erst mit der jüngsten Kindschaftsrechtsreform 1998 und auf wackligen Beinen.

Dennoch – unbestreitbar sind entwicklungspsychologische Einsichten seit den ersten Anfängen vielfach aufgenommen und umgesetzt worden, auch in sensibleren  richterlichen Entscheidungen und  - nicht zuletzt - in der Jugendhilfe, wo es vielerorts gelang, nicht nur in der gesetzlich eingeführten professionellen Adoptionsvermittlung, sondern auch in spezialisierten Pflegekinderdiensten ein hohes Maß an entwicklungspsychologischer Kompetenz verfügbar zu machen.

Freilich gibt es noch immer – erstens - erhebliche Defizite bei der Umsetzung längst bekannter und anerkannter entwicklungspsychologischer Erkenntnisse. Es gibt – zweitens – leider auch Anzeichen für den Rückfall hinter ein bereits erreichtes Niveau. Und es gibt schließlich – drittens - bedauerliche Verzögerungen bei der Vermittlung und Umsetzung neuer entwicklungspsychologischer Forschungsergebnisse, die zu weiteren Verbesserungen in der Praxis beitragen könnten.

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