FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Artikel / Jahrgang 2005

 

Entwicklung und Schutz des Pflegekindes

von Christoph Malter
 

Vortrag zum Jahresfest der Pflegeelternschule in Baden-Württemberg am 22./23.10.05.


In ihrem Buch ‚Paragraphenkinder’ schildern die Pflege- und Adoptiveltern Holger Rosenberg und Marianne Steiner (1991, S. 157 f.) folgendes Ereignis aus dem Jahr 1989:
„Kurz vor Weihnachten wird ein Zwillingspärchen in ein Hamburger Kinderkrankenhaus eingeliefert. Die beiden 21 Monate alten Mädchen wurden von ihren Eltern misshandelt. Melanie stirbt, Nadine bleibt im Krankenhaus. ... Der Behörde in Hamburg lagen Hinweise vor, dass es den Kindern nicht gut ginge. Man griff nicht ein. ... Den Gipfel der Kaltschnäuzigkeit lieferte die Dezernentin des Jugendamtes Hamburg-Harburg, Frau Cobus-Schwertner, als sie in einem Zeitungsinterview erklärte, man wisse in diesem Fall überhaupt noch nicht, wer eigentlich Täter und wer das Opfer ist. Helmut Krusch vom Landesverband für Pflege- und Adoptiveltern in Hamburg richtete folgenden offenen Brief an die Dezernentin des Jugendamtes in Hamburg-Harburg:
Sehr geehrte Frau Cobus-Schwertner,
Ihren Ausführungen in den Harburger Anzeigen und Nachrichten (HAN) vom Dezember vergangenen Jahres muss schärfstens widersprochen werden. ...
Wer in diesem Fall schwerster Kindesmisshandlung die Opfer sind, steht fest. Es sind die tote Melanie und ihre im Krankenhaus liegende Zwillingsschwester Nadine. Und Täter sind wahrscheinlich die unter dem Verdacht der fahrlässigen Tötung stehenden leiblichen Eltern. Sie als Leiterin der Eingriffsbehörde, die den Schutz von Kindern gewährleisten soll, haben Hinweise aus dem Umfeld der Familie S. nicht begriffen. ... In unserem Verband organisierte freie Pflegeeltern bemühten sich tagelang vergeblich, im Amt in Wilhelmsburg einen Ansprechpartner zu erreichen, da sie sich um die kleine Nadine im Krankenhaus kümmern wollten. Niemand war zuständig im Amt für Soziale Dienste!“ 

Wenige Zeilen weiter erfährt der Leser, dass das überlebende Zwillingsmädchen auf Anweisung des Vormundschaftsgerichtes sogar wieder zu den Eltern zurückgebracht wurde. Es handelte sich dabei nicht um einen außergewöhnlichen Einzelfall. Immer wieder kommen Kinder zu Schaden, weil notwendige Interventionen unterbleiben, bzw. erkennbar dysfunktional durchgeführt werden. In jüngster Zeit berichtete die Presse vermehrt überregional über schwere Kindesmisshandlungen, wie z.B. Anfang des Jahres über den grausamen Tod der in Hamburg verhungerten 7-jährigen Jessica und das fatale Versagen der zuständigen Behörden (vgl. z.B. DER SPIEGEL, Heft 10, 2005).

Die zunehmende Kritik an behördlichem Handeln oder familiengerichtlichen Entscheidungen scheint nun endlich politische Reaktionen in Gang zu setzen. Beispielsweise wurden in Hamburg Konsequenzen aus dem tragischen Tod von Jessica gezogen, indem der Senat die Durchsetzung der Schulpflicht beschloss, eine 24-Stunden Hotline der Jugendämter einrichtete und eine längere Aufbewahrung der sogenannten Elternakte beim Jugendamt zusicherte. Das sind wichtige Schritte eines verbesserten Kinderschutzes, die aber nur wenig daran ändern, dass viele Kinder jahrelang unter Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch leiden müssen, weil das Jugendamt von ihrem Leid nichts wusste oder viel zu spät eingriff, obgleich – wie wir in einer seit 4 Jahren laufenden Pressedokumentation demonstrieren konnten – in vielen Fällen genügend Hinweise über das traumatische Geschehen vorlagen (vgl. Sachgebiete).

Eine mögliche Maßnahme zur Abwendung von Gefährdungen – also eine Schutzmaßnahme – und gleichzeitig eine Chance zur Heilung der Traumafolgen ist die Unterbringung in einer Pflegefamilie. Die Pflegefamilie bietet anders als ein gut geführtes Heim nicht nur professionelle Beziehungen, sondern liebevolle familiäre Bindungen, also genau das, was den Kindern bisher fehlte, und was sie zur Therapie ihrer posttraumatischen Entwicklungsstörung dringend brauchen. Die fundamentale Bedeutung einer positiven Bindungs-, bzw. Elternfigur erläutert John Bowlby (1975, S. 174f.) an Beispielen aus der Tierwelt:
„Ein bekannter Anblick auf dem Lande im Frühjahr ist der von Muttertieren mit ihren Jungen. Auf den Feldern Kühe und Kälber, Stuten und Fohlen, Mutterschafe und Lämmer, auf  Teichen und Flüssen Enten und Entchen, Schwäne und Schwänlein. Der Anblick ist uns so vertraut, und es ist für uns so selbstverständlich, daß Lamm und Mutterschaf zusammenbleiben und daß sich eine Jungenten-Formation bei der Mutterente aufhält, daß wir uns selten die Frage stellen: Was läßt diese Tiere eigentlich beieinander bleiben? Was für eine Funktion wird durch ihr Zusammenbleiben erfüllt?
   Bei den erwähnten Arten werden die Jungen auf einer schon so fortgeschrittenen Entwicklungsstufe geboren, daß sie sich innerhalb einiger Stunden frei bewegen können, und in jedem dieser Fälle läßt sich feststellen, daß die Jungen, wenn die Mutter sich in irgendeine Richtung wegbewegt, ihr gewöhnlich folgen. Bei anderen Arten, einschließlich den Fleischfressern und Nagetieren und einschließlich dem Menschen selbst, ist die Entwicklung des Neugeborenen viel weniger weit fortgeschritten. Bei diesen Arten kann es Wochen oder Monate dauern, ehe sich die Jungen fortbewegen können, wenn sie aber erst einmal so weit sind, zeigt sich dieselbe Tendenz, sich in Nähe zur Mutter zu halten. ...
   Die hier beschriebene Verhaltensweise wird durch zwei Hauptmerkmale gekennzeichnet. Das erste ist die Aufrechterhaltung der Nähe zu einem anderen Tier und die Wiederherstellung der Nähe, wenn diese beeinträchtigt wurde, das zweite die Spezifizität des anderen Tieres. Innerhalb weniger Stunden nach dem Ausbrüten der Eier oder dem Gebären der Jungen kann ein Elternteil seine eigenen Jungen von anderen unterscheiden und wird dann nur ihnen gegenüber Elternverhalten aufweisen; die Jungen ihrerseits lernen bald ihre eigenen Eltern von allen anderen erwachsenen Tieren zu unterscheiden und verhalten sich ihnen gegenüber in einer spezifischen Weise. Sowohl die Alten als auch die Jungen verhalten sich also gewöhnlich zueinander ganz anders als allen anderen Tieren gegenüber. Individuelles Erkennen und höchst differenziertes Verhalten stellen somit in der Eltern-Kind-Beziehung von Vögeln und Säugetieren die Regel dar. ...
   Bei den meisten Spezies gibt es mehr als eine Verhaltensweise, die zum Zusammenbleiben von Mutter und Jungen führt. Zum Beispiel lockt das Rufen eines Jungtiers die Mutter an, und es wird mit der Bewegung eines Triebwagens zu ihr hingetrieben. Da beide Verhaltensweisen und noch andere dieselbe Konsequenz haben, nämlich die Nähe, ist es nützlich, für sie alle einen Allgemeinbegriff einzuführen, und zwar den Terminus ‚Bindungsverhalten’. Jede kindliche Verhaltensform, die in Nähe resultiert, kann als eine Komponente des Bindungsverhaltens betrachtet werden. Dieser terminologische Gebrauch hält sich an die ethologische Tradition. Wann immer verschiedene Verhaltensweisen häufig dieselbe Konsequenz nach sich ziehen (oder wenigstens zur selben Konsequenz beitragen), werden sie gewöhnlich in einer Kategorie gebündelt und mit Bezug auf diese Konsequenz benannt. Zwei wohlbekannte Beispiele davon sind das Nestbau- und das Paarungsverhalten.
   Elternverhalten, das in einer Wechselbeziehung zum kindlichen Bindungsverhalten steht, wird als ‚Pflegeverhalten’ bezeichnet
....

Mit einer Vielzahl älterer und jüngerer Studien ist gut belegt (vgl. z.B. Spitz 1945 u. 1946, Überblick bei Schmalohr 1968, Matejcek, 1996, Überblick bei Dornes 2000), welche schlimmen und langfristig negativen Auswirkungen Mutterentbehrung und frühkindliche Deprivation für Kinder haben. Die moderne, neuropsychologische Traumaforschung zeigt, dass es sich dabei um tiefgreifende physiologische und sogar anatomische Schädigungen des Gehirns handelt, die insbesondere das spätere Sozialverhalten durch erhöhte Reizbarkeit und mangelhafte Impulskontrolle erheblich beeinträchtigen, wenn keine kompensatorische Nachreifung ermöglicht wird (vgl. z.B. Schore, 2001; Perry, 2001, Hüther, 2004 u.v.a.m.).

Wenn ein bedürftiges oder gefährdetes Kind in eine Pflegefamilie vermittelt wird, ist das allerdings eine heikle Intervention, denn ihm wird die Hauptbindungsfigur genommen und den Pflegeeltern die Elternrolle übertragen. Diese verhalten sich in der Regel so, wie Eltern sich gegenüber einem Kind natürlicherweise verhalten: sie beschützen und versorgen es. Das Kind richtet seinerseits nach einer gewissen Eingewöhnungszeit Bindungs- und Liebesbedürfnisse auf die Pflegeeltern. Monika Nienstedt und Arnim Westermann haben in ihrem Buch ‚Pflegekinder’ bereits 1989 ausführlich beschrieben, wie dieser störanfällige Prozess der Eingewöhnung und Integration des Kindes in die Pflegefamilie verlaufen kann. Dies soll hier nicht weiter referiert werden, denn entscheidend ist, dass sich in der Wechselbeziehung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern auf ganz natürliche Art ein Verhalten entwickelt, das ‚Pflegeverhalten’ genannt wird. Dies ist erwünscht, weil die Notwendigkeit der positiven Bindungsbeziehung zwischen Pflegemutter und Kind von erfahrenen Experten übereinstimmend anerkannt wird.

Nichtsdestotrotz müssen Pflegeeltern oft erfahren, dass ihnen bei dieser schwierigen Aufgabe unzureichend fachliche Hilfestellung angeboten wird, ja manchmal sogar schwer zu ertragende, zusätzliche Störungen von außen zugemutet werden.

Immer wieder in Pflegeelterngruppen diskutierte und an Pflegeelternverbände herangetragene Fragen sind die der Umgangskontakte und der Rückführung des Pflegekindes zu seinen Eltern. Die sich darüber ergebenden Konflikte liegen im Spannungsfeld zwischen Elternrecht und Kindeswohl. Pflegeeltern berichten regelmäßig von zweifelhaften Entscheidungen, z.B. über ungünstige Verläufe der Besuchskontakte mit anschließenden Irritationen beim Kind, die dann u.a. damit gerechtfertigt werden, dass das Elternrecht höher als das Kindeswohl bewertet werden müsse. Diesem Irrtum muss entschieden widersprochen werden. In Staudingers Kommentar zum BGB heißt es:
„Ist § 1666 die Zentralnorm für den Schutz der verfassungsrechtlich garantierten Rechte des Kindes, so muß die Gefährdung der Kindesrechte auch der entscheidende Anknüpfungspunkt für staatliche Schutzmaßnahmen sein. Eine Relativierung dieses Schutzes im Hinblick auf das Elternrecht ist nicht zulässig (BVerfG NJW 1982, 1379, 1380;). Dem Kind gebührt Rechtsschutz als eigenständige, nicht mediatisierte Rechtspersönlichkeit. Dieser Schutz ist primär den Eltern überantwortet, aber unverkürzt vom Staat zu gewährleisten, wenn die Eltern insoweit objektiv ausfallen.“ (Rz 20 zu § 1666).

Das Kindschaftsrechtsreformgesetz (1998) ist ein sehr umgangsbetontes Gesetz, und niemand will dem Umgangsrecht der Eltern bei Pflegefamilienunterbringung die Vorfahrt nehmen. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass dadurch das Kindeswohl gefährdet wird. Bei Kindeswohlgefährdungen ist der Umgang gem. § 1684 Abs. 4 BGB auszusetzen. Das Kindeswohl ist bei Pflegekindern unter anderem dann gefährdet,

  • wenn die Umgangskontakte traumatisierend oder retraumatisierend sind;
  • wenn die pathologische Bindung zur Herkunftsfamilie noch nicht abgebaut
    und die für die Heilung notwendige Bindung zur Pflegefamilie noch nicht
    stabilisiert ist;
  • wenn die Herkunftsfamilie die Pflegefamilie nicht voll akzeptiert und unterstützt.

Auch der Wunsch des Kindes nach Kontakten ist nicht ausschlaggebend, weil bei misshandelten und missbrauchten Kindern oft eine besonders intensive neurotische Bindung zur Herkunftsfamilie aufrechterhalten wird. Dann sind Kontakte kontraindiziert. Diese Position ist wissenschaftlich bestens begründet (vgl. z.B. Nienstedt und Westermann, 1989; Lambeck 1999 u.v.a.m.), wird aber aus sachfremden Erwägungen von vielen Jugendämtern nicht geteilt. Um so wichtiger ist es, dass die Pflegeeltern sie kennen und vertreten – zunächst freundlich und notfalls auch kämpferisch.

Ein weiteres Problem ergibt sich häufig, wenn die Perspektive des Pflegeverhältnisses offen ist. Ob ein Pflegeverhältnis von vornherein als Dauerpflege ohne Rückkehroption oder befristete Pflege mit Rückkehroption angelegt wird, hängt leider nicht nur von fachlich fallorientierten Einschätzungen ab, sondern von allgemein konzeptionellen und finanziellen Überlegungen in der Jugendbehörde. Es gibt Jugendämter, die grundsätzlich keine Dauerpflegen einrichten und die Rückkehroption immer offen halten, obwohl § 37 (1) SGB VIII anderes gebietet:
„...Durch Beratung und Unterstützung sollen die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb eines im Hinblick auf die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraumes so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann. Während dieser Zeit soll durch begleitende Beratung und Unterstützung der Familien darauf hingewirkt werden, dass die Beziehung des Kindes oder Jugendlichen zur Herkunftsfamilie gefördert wird. Ist eine nachhaltige Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie innerhalb dieses Zeitraums nicht erreichbar, so soll mit den beteiligten Personen eine andere, dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen förderliche und auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet werden.“

Die Frage nach der Rückführbarkeit des Pflegekindes wird nicht immer hinreichend beantwortet, und so verwundert es einerseits nicht, dass dann auch in der  Hilfeplanung in dieser Hinsicht keine klaren Akzente gesetzt werden, und andererseits, dass viele Rückführungen dramatisch scheitern (vgl. Malter, 2005). Wie sich Kinder nach Rückführungen entwickeln, ist nicht hinreichend erforscht, und so bleibt manche Rückführung selbst dann, wenn keine weitere Misshandlung oder kein erneuter Beziehungsabbruch droht, ein zweifelhaftes Experiment mit ungewissem Ausgang auf Kosten des jeweils betroffenen Kindes.

Demgegenüber sind die Entwicklungschancen bei dauerhafter Unterbringung in der Pflegefamilie wesentlich günstiger, wie ältere und jüngere Untersuchungen, beispielsweise die von Annemarie Dührssen (1958) durchgeführte Vergleichsstudie oder die bei Schleiffer (2001) resümierten jüngeren Forschungen, belegen. Aus eigener Forschung kann ich dies bestätigen.

1990 wurde mir die Durchführung der Begleitforschung im Therapeutischen Programm für Pflegekinder (TPP) der Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP) übertragen. Das auf den Erfahrungen und Forschungsergebnissen eines vom Psychoanalytiker Klaus Hartmann geleiteten Beobachtungsheimes aufbauende Projekt verfolgt das Ziel, gefährdeten Kindern eine Erziehung und Therapie in sozialpädagogisch und psychotherapeutisch betreuten Pflegefamilien zu bieten. Die AGSP, unter Leitung von Prof. Dr. Kurt Eberhard und Rechtsanwältin Soz.-Päd. grad. Gudrun Eberhard, versucht die Vorteile der Heimerziehung mit denen der Pflegefamilienerziehung zu verbinden. Die methodologische Basis der hermeneutischen Gruppenarbeit im TPP ist die abduktionslogisch fundierte Diskurstheorie der Aktionsforschung (vgl. Eberhard, 1999). Die detaillierte Auswertung der Begleitforschung brachte als wichtigstes Resultat den Nachweis, dass auch ältere und besonders schwierige Kinder in Pflegefamilien erfolgreich aufgezogen werden können, wenn diese intensiv beraten und betreut werden. Das Abbruchrisiko liegt sehr deutlich unter dem Durchschnitt sonstiger Pflegeverhältnisse. Darüber hinaus konnten gut beeinflussbare Persönlichkeitsbereiche identifiziert werden.

Sinnvoller als die pauschale Frage nach Erfolg oder Misserfolg ist die differenziertere nach der Art der Erfolge und der Misserfolge. Zu dieser Fragestellung führten wir eine praxisbegleitende Längsschnittstudie durch (vgl. Malter u. Eberhard, 2001). Trotz der kleinen Stichprobe (N = 16) resultierten bei 21 von den insgesamt 78 erhobenen Merkmalen statistisch signifikante Aufwärtstrends, d.h. sozial positive Entwicklungen, die sich den folgenden drei Merkmalssyndromen zuordnen ließen:

I. soziale Anpassung nach außen
Tendenz zum Stehlen
Probleme mit Nachbarn
Probleme mit Institutionen und formellen Gruppen
Schwierigkeiten, akzeptiert zu werden
destruktives Verhalten
dissoziale Kontakte
Probleme mit Gleichaltrigen
Verhaltensstörungen
Probleme im Verein

II. Zugang zu eigenen Gefühlen
motorische Unruhe
Schwierigkeiten beim Ausdruck von Gefühlen
unsorgfältig mit sich selbst
Schwierigkeiten im Austausch von Zärtlichkeit
Probleme mit der Geschlechtsrolle
mangelhaftes Einfühlungsvermögen
Distanzlosigkeit

III. Familiäre Identität in der Pflegefamilie
Probleme mit der Rolle als Pflegekind
Probleme mit Beruflichkeit des Erziehungsverhältnisses
Probleme mit der Bezahlung der Erziehungsarbeit
problematisches Verhältnis zu Verwandten der Pflegefamilie
problematisches Verhältnis zur Ursprungsfamilie

Demgegenüber zeigte sich bei keinem Merkmal ein signifikanter Abwärtstrend. Geringe (nicht-signifikant) negative bzw. nicht-positive Entwicklungen fanden sich bei folgenden Merkmalen, die zwei weiteren Merkmalssyndromen zugeordnet wurden:

IV. Bindungsprobleme
Tendenz zu Mißtrauen
Probleme mit dauerhaften Beziehungen
Probleme mit Partnerschaftsbeziehungen
Probleme mit den Pflegeeltern
taktisches Lügen
mangelhafte Konfliktfähigkeit

V. Impulsivität und Labilität
Gefühlsschwankungen
mangelhafte Frustrationstoleranz
Unordnung
unwirtschaftlicher Umgang mit Geld
Suchttendenzen
Tendenz zu Ängsten
Tendenz zu psychosomatischen Reaktionen

Als formbar erwiesen sich also besonders die äußere Anpassung und die emotionale Selbst-Reflexion. Kinder und Jugendliche, die Zugang zu ihren emotionalen Eigenarten haben, sie in ihrer Herkunft verstehen und darüber reden können, kommen mit sich und anderen besser aus, als solche, die Illusionen über sich hegen und damit die Ablehnung der Umwelt provozieren. Seelische Behinderungen bedürfen ebenso wie körperliche und geistige der Akzeptanz von innen und außen, und die äußere ist auf die innere ebenso angewiesen, wie umgekehrt die innere auf die äußere.

 

Literatur:
 

Bowlby, J.: Bindung. Eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung. München, 1975, 3. Aufl., 1986.

Dornes, M.: Die frühe Kindheit. Frankfurt a. M., 2000.

Dührssen, A.: Heimkinder und Pflegekinder in ihrer Entwicklung. Göttingen 1958.

Eberhard, K.: Einführung in die Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie (2. Aufl.). Stuttgart, 1999.

Hartmann, K.: Lebenswege nach Heimerziehung. Freiburg, 1996.

Hüther, G. u. Himpel, S.: Auswirkungen emotionaler Verunsicherungen und traumatischer Erfahrungen auf die Hirnentwicklung: In: Stiftung Zum Wohl des Pflegekindes (Hg:): 3. Jahrbuch des Pflegekinderwesens. Kontakte zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilie. Idstein, 2004, (111-125).

Lambeck, S.: Was ist los im Kopf des Kindes beim Besuchskontakt. PATEN, H. 1, 1999

Malter, C.: Zur Problematik der Rückführung von Pflegekindern. In: Forum (www.agsp.de), 2005.

Malter, C. u. Eberhard, K.: Entwicklungschancen für vernachlässigte und misshandelte Kinder in sozialpädagogisch und psychotherapeutisch betreuten Pflegefamilien. In: Stiftung „Zum Wohl des Pflegekindes“ (Hg.): 2. Jahrbuch des Pflegekinderwesens. Pflegekinder in Deutschland – Bestandaufnahme und Ausblick zur Jahrtausendwende. Idstein, 2001, (223-234).

Matejcek, Z.: Neue Erkenntnisse der Bindungsforschung. Prager langfristige Studien. In: Deutsche Liga für das Kind (Hg.): Dokumentation des Symposiums am 2. und 3. Juni 1996 in Marl-Sinsen, Berlin, 1996.

Nienstedt, M. u. Westermann, A.: Pflegekinder. Psychologische Beiträge zur Sozialisation von Kindern in Ersatzfamilien (2. Aufl.). Münster, 1990.

Perry, B.D.: The neurodevelopmental impact of violence in childhood. In Schetky D. & Benedek, E. (Eds.) Textbook of child and adolescent forensic psychiatry. Washington, D.C.: American Psychiatric Press, Inc., 2001, (221-238).

Pressedokumentation: Wächteramt der Jugendämter. In: www.agsp.de/html/sachgebiete.html, 2005.

Rosenberg, H.; Steiner, M.: Paragraphenkinder. Erfahrungen mit Pflege- und Adoptivkindern. Reinbek bei Hamburg, 1991.

Schleiffer, R.: Der heimliche Wunsch nach Nähe. Weinheim, 2001.

Schmalohr, E.: Frühe Mutterentbehrung bei Mensch und Tier. München, 1968.

Schore, A.N.: The effect of a secure attachment relationship on right brain development, affect regulation, and infant mental health. Infant Mental Health Journal, 22, 7-66, 2001.

DER SPIEGEL: Senat räumt Behördenfehler ein. Hamburg, Heft 10, 2005.

Spitz, R.: Hospitalism. Psychoanalytic Study of the child, I. New York: Int. Univ. Press 1945
Spitz, R.: Anaclitic Depression. Psychoanalytic Study of the child, II. New York: Int. Univ. Press 1946

Staudinger, J.: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen. Berlin, 2005.

 

 

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