FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2004

 

Offener Brief an Michaela Huber

 

Vorbemerkung: „Und nun hoffe ich, daß Ihr Interesse geweckt ist, das Buch ganz zu lesen. Auf Ihre Rückmeldungen freue ich mich“ schrieb Michaela Huber in die Einleitung des ersten Bandes ihres wegweisenden Werkes über »Trauma und Traumabehandlung«. Hier nun eine der erwünschten Rückmeldungen. Luisa Umlauf, erfahrene Pädagogin und Pflegemutter, hat Hubers Buch nicht nur gelesen, sondern sich zutiefst ergreifen lassen. Wir hoffen, daß möglichst viele unserer Leser ermutigt werden, sich ebenfalls den aufrüttelnden Botschaften Hubers auszusetzen.
K.E. (April, 2004)

 

Mutterliebe
Mutterliebe
Vergesst alle
Bruder- und sonstige Liebe
Mutterliebe
Ist genau das Richtige für euch
Ihr wisst, eure Mutter wird euch lieben
Bis ihr nicht mehr wisst, wo euch der Kopf steht.
Frank Zappa

Liebe Frau Huber,

nun habe ich „Trauma und die Folgen“ beendet, und ich denke, das schönste Kompliment, das ich Ihnen machen kann, lautet:

Ich habe die Lektüre von ganzem Herzen gehasst.

Was redet Frau Huber da über Verdrängungen - ? fragte ich mich, als Sie sich eingangs der nahezu totalen Verdrängung des Trauma-Themas in unserer Gesellschaft widmeten. Das mir, die ich mich zeitlebens so oder so mit dem Verdrängungsthema befasst habe. Die ich mich danach sehne, mehr verdrängen zu können. Und schon wurde ich wütend bei der weiteren Lektüre: Pfoten weg von meinen Verdrängungen, schimpfte ich innerlich, weg da!

All meine Sünden fielen mir ein im Umgang mit unserer Pflegetochter. Wie oft ich ihre „Launen“, ihr Stibitzen, ihre schrägen Geschichten, die sie mir auftischte, persönlich übel genommen habe. Wie oft ich gar nicht wissen wollte, was vor unserer Zeit mit ihr passiert war.

Vor Vermittlung unserer Pflegetochter habe ich in einer Kinderklinik mit kinder-psychosomatischer Station gearbeitet. Ich habe mit meinem Mann zusammen verschiedene Vorbereitungsseminare beim Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern besucht. Nach Vermittlung haben wir immer eng mit Heerscharen professioneller Berater kooperiert. Ich hielt mich für eine Expertin – bis ich Ihr Buch lesen „musste“.

Nun muss ich mir ins Gedächtnis rufen, dass auch und gerade die Wahrnehmung der Grenzen des eigenen Expertentums zu ihren Kennzeichen gehört. Ich tröste mich am Anblick meines wunderschönen, strahlenden Kindes. An ihren Zeugnissen, die vom Gymnasium ausgestellt werden, während man uns doch nahegelegt hatte, sie auf die Sonderschule zu schicken. Ich muss irgendwas richtig gemacht haben. Ich weiß bloß nicht, was.

Ich wünschte, ich könnte mit ihr noch einmal ganz von vorn anfangen.

Dennoch weiß ich nicht, ob ich nach Lektüre Ihres Buches den „Mut“ dazu hätte. Aber ist „Mut“ der richtige Begriff? Waren es nicht eher ein wahlloser Haufen bester Absichten und nachgeplapperter sozialpädagogischer Glaubenssätze, auswechselbar wie Schlüpfer? Peinliches Sendungsbewusstsein bis hin zum gänzlichen Realitätsverlust in eine Euphorie der Machbarkeit hinein? Die allesamt einzig und allein einen archaischen Kinderwunsch auf Teufel komm raus rechtfertigen sollten?

Genau das, was mir als Pflegemutter von Amts wegen verboten worden ist. Ich erinnere mich noch genau an das Gezeter im Jugendamt vor bald zehn Jahren, als das Kind nach der ersten Begegnung „Mama“ und „Papa“ zu uns sagte. Man hätte doch lang und breit mit uns darüber geredet, dass uns das Kind mit unseren Vornamen anzureden habe. Natürlich sagt sie bis heute „Mama“ und „Papa“ zu uns und ist sich dabei ihrer eigenen Verdrängungen ebenso bewusst wie wir uns der unsrigen. Bei jedem „Mama“ und „Papa“ von ihr verdrängen wir das Echo: Sünde, Sünde, Sünde.

Kleine Geschichte der Mutterliebe, Teil I: Was Faschismus und Stalinismus an Mutter-Kind- bzw. Kind-Mutter-Liebe übrig gelassen hatten, geriet ab den Sechzigern zwischen die gefräßigen denunzierenden Kiefer des boomenden Psychomarktes. Dreißig Jahre später hatte das entsprechende Gedankengut in die Jugendämter Einzug gehalten. Es war ja auch befreiend, dass Adoptiv- und Pflegekinder nicht mehr für die unerfüllten Sehnsüchte ihrer Adoptiv- und Pflegeeltern benutzt werden sollten – dachten wir.

Wenn ich also Ihr Buch voller Schuldbewusstsein als (Pflege-)Mutter gelesen habe, dann natürlich auch – ebenso schuldbewusst – als Tochter, denn aus der Denunziation der Mutterliebe folgt natürlich die Denunziation der Tochterliebe. Und bald schon fragte ich mich bei der Lektüre: An welche Mutter denke ich? An meine, oder an die unserer Tochter?

Beide unterscheiden sich im Prinzip nur durch die Zeitversetztheit: Bei meiner Geburt 1946 existierte kein Staat und damit auch kein Amt, das sich irgendwie darum geschert hätte, was mit kleinen Kindern passierte. Unsere Tochter jedoch wurde 1987 in eine sterbende totalitäre Bürokratie hineingeboren, zu dessen (in-)stabilsten Fundamenten die Denunziation gehörte: Die DDR. Es gab ein Jugendamt, das z.T. beherzter als die jetzigen zupacken konnte, wenn es notwendig erschien. Kriterium für die Feststellung dieser Notwendigkeit war jedoch mitunter eher die Parteizugehörigkeit des Denunzierenden und weniger das Ergebnis einer Prüfung, ob man einer unterprivilegierten Mutter nicht vielleicht ein bisschen helfen könnte.

„Mit eenem mal standen da neun Mann hoch inne Stube und det hieß, det Kind kommt inn’t Heim. Inne erste Zeit konnt ick se noch besuchen, denn hieß det, die is zur Adoption freijejeben, und denn dürft ick se nich mehr sehen. Monatelang ha’ick det Spielzeuch aus’m leeren Babybettchen raus und wieder rinnjetan ...“

Diese Worte der Mutti unserer Tochter, liebe Frau Huber, hätten Sie in Ihrem Buch vermutlich auch in Kursiv gedruckt, damit sich der Leser entscheiden kann, ob er sich diesen Bericht „antun“ möchte. Mir brach dabei das Herz, weil ich an meine Mutter dachte.

Im Jugendamt muss dabei ein Aktenschrank durch den Boden gebrochen sein. Denn auf unsere anwaltliche Nachfrage wurde uns mitgeteilt, es gäbe nur noch die Gerichtsurteile, die Akte selbst sei verschwunden. –

Gemeinsam ist beiden Müttern, der unserer Tochter und meiner, ihre Position als Sündenbock der jeweiligen Familie, Ursache und Folge zugleich der nicht enden wollenden Traumatisierungen durch eben diese jeweilige Familie.

Das Grausigste daran aber ist im Fall unserer Tochter die Kollaboration der Bürokratie mit den sie traumatisierenden Familien – zum einen die Herkunftsfamilie ihrer Mutter, zum anderen die spätere Adoptivfamilie. Die Lektüre Ihres Buches konfrontierte mich erneut damit, was unserem Kind in der Folgezeit, nach der Wegnahme von der leiblichen Mutter, zugestoßen ist. Von Amts wegen, denn dass die Vermittlung zu diesen Adoptiveltern fehlschlagen würde, war allein bei deren Anblick absehbar, spätestens aber bei Kenntnis der Vorgeschichte der Bewerber.

Sie schreiben, dass Traumatisierungen umso schlimmer wirken, je früher sie einsetzen und je näher die Täter dem Opfer stehen. Was aber, wenn überdies ein Rechtsstaat – denn als solcher bezeichnet er sich ab 1990 – hinter den Tätern steht, und zwar über insgesamt fünf Jahre hinweg, und wenn dieser Rechtsstaat nach einer einschlägigen Verurteilung das Opfer zu diesen Tätern zurückgibt? Was wird da beim Opfer langfristig angerichtet?

Kleine Geschichte der Mutterliebe, Teil II: Wir sollten uns also nicht mit „Mama“ und „Papa“ vom Kind anreden lassen, hieß es bei der Vermittlung zu uns, als man das Kind endlich von den Adoptiv-„Eltern“ befreit hatte. Soweit so schlecht. Wir dürften das Kind aber auch nicht darüber aufklären, hieß es, dass es ein Adoptivkind sei, dies hätten die Adoptiv-„Eltern“ ausdrücklich untersagt. Wenn uns aber dem Kind gegenüber mal die Wahrheit so ganz aus Versehen herausrutschen würde, wäre man nicht traurig im Amt. – Alles klar?

Liebe Frau Huber, ich vermute, Sie haben den Versuch, die Verhältnisse zu durchschauen, längst aufgegeben. Sie wären nicht die erste. Wie aber soll ein – chronisch traumatisiertes – kleines Kind diese amtlich verordneten Verwirrungen durchschauen und eine Ahnung von Orientierung in der Welt gewinnen?

Habe ich denn die geringste Aussicht, mit meiner verbotenen archaischen Mutterliebe, mit der ich überdies so viele Fehler mache, ein paar von den angerichteten Schäden wieder gut zu machen, so dass unsere Tochter ihren Weg ins Leben findet?

Oder – huch Gott, darf man das denken?!, liegt die Chance vielleicht sogar in der Rehabilitation dieser verbotenen Mutterliebe?

Und während ich bei der Lektüre ihres Buches dieser schlimmen und verbotenen Frage heimlich nachgrübelte, passierte etwas für mich gänzlich Neues. Ich brachte zum ersten Mal die Traumatisierungen und die Biografien der Mütter, meiner und der leiblichen unserer Tochter, insbesondere das merkwürdige Verbot, sie dürften nicht Mütter sein, miteinander in Zusammenhang. Ich erkannte, dass an der Überzeugung, meine Mutter sei es nicht wert, Mutter zu sein, bis heute, über achtzig Jahre später, die Überlebenden ihrer Familie und deren Kinder unbewusst immer noch teilhaben.

Einschließlich meiner Person.

Bis mir die Lektüre Ihres Buches auch diese Verdrängungen nahmen. Aber die habe ich nur allzu gern hergegeben. Es war Sperrmülltermin.

Und während ich mich noch skeptisch fragte, was das nun nützen sollte, klingelte das Telefon.

Es war meine Mutter.

Zum ersten Mal nach neun Jahren.

Sie hat mich gar nicht mehr losgelassen am Telefon. –

Welch ein völlig unerwartetes Wunder für mich – aber auch für unsere Tochter. Denn für sie scheint die Möglichkeit auf, dass auch aus dieser Omi vielleicht doch noch eine Omi wird.

Die andere Omi, die Mutter meines Mannes, war vor ein paar Jahren gestorben.

Ja, es konnte nicht ausbleiben, dass ich Ihr Buch auch als Schwiegertochter gelesen habe, die ihre Schwiegereltern über eineinhalb Jahre auf dem letzten Weg begleitet hat. In dieser Zeit kam unsere Pflegetochter scheinbar etwas zu kurz. Aber nur scheinbar. Zwar fehlten uns Zeit und Aufmerksamkeit, uns so intensiv um sie zu kümmern, wie zuvor und danach. Doch das brauchte sie gar nicht, denn ich schuf ihr eine vollständige Familie mit Oma und Opa. An besondere Dramen mit ihr in jener Zeit kann ich mich nicht erinnern.

Hatte ich bis zur Pflege der Schwiegereltern geglaubt, unsere Gesellschaft würde nur ihre Kinder nicht genug fördern, und es gäbe zu den bürokratischen Sadismen, die unsere Pflegetochter hatte erleiden müssen, keine Steigerungsmöglichkeit mehr, dann wurde ich nun eines Schlimmeren belehrt.

Wie jährlich vierhunderttausend andere Patienten auch, natürlich überwiegend die alten, wurde die todkranke Schwiegermutter im Krankenbett fixiert. Sterbende können keine Nahrung mehr verarbeiten und lehnen diese ab. Gnadenlos wurde der Schwiegermutter durch die Magensonde immer weiter die Nahrungsflüssigkeit in den Magen gepumpt, die sie „schwallartig, gallig“ (Krankenakte) immer wieder erbrach, über etwa zehn Wochen hinweg. Die Sterbende zog sich die Magensonde mehrmals selbst, zwangsweise wurde die Sonde immer wieder reingeschoben. Sie sei „weinerlich und mitteilungsbedürftig“, hieß es im Krankenblatt. Sie wurde mit Haldol zugepumpt, bis sie nicht mehr sprechen konnte. Mit der lästigen Gewohnheit, dass die Sterbende die Magensonde selbst zog, wurde am Ende kurzer Prozess gemacht. Man nähte die Sonde gelegentlich der letzten und zwangsweise durchgeführten großen Operation einfach an der Bauchdecke fest. Eine lebensverlängernde Wirkung einer solchen Sonde, die jährlich zwanzigtausend Patienten, meist sterbenden, aufgezwungen wird, ist wissenschaftlich nicht erwiesen.

Wird Sterbenden Wasser durch eine Sonde oder Infusion gegeben, gelangt es in die Lunge, und sie ersticken qualvoll. Die Schwiegermutter erstickte zwei Tage lang, bei Bewusstsein. Ihr Sohn durfte nicht bei ihr sein, als sie starb.

Dies waren nur ein paar „highlights“ aus insgesamt eineinhalb Jahren Pflege und Sterbebegleitung. Vermutlich hätten Sie auch diese letzten Absätze in Ihrem Buch in Kursiv gesetzt.

Kleine Geschichte der Mutterliebe, Teil III: Muss ich noch erwähnen, dass auch im Erleben der Schwiegermutter die vielfältigen Traumatisierungen aus der Sündenbock-Position in ihrer Herkunftsfamilie, aus Krieg und Vertreibung in der Überzeugung kulminierten, sie dürfe nicht Mutter sein? Wie Millionen ihrer Schicksalsgenossinnen, hat sie über all diese Traumatisierungen immer nur in Andeutungen gesprochen. Auf Nachfragen hat sie die Lippen fest zusammengepresst und abgewunken. Insbesondere über ihre Traumatisierungen während der Vertreibung, zu denen vermutlich auch Vergewaltigungen gehört haben. Denn ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass diese brutalen Vergewaltigungen, die sie als Sterbende erleiden, und die ihr Sohn aus der Ferne hilflos mit ansehen musste, in ihrer Biografie ohne Vorboten passiert sein konnten.

Autoren und Leser hierzulande von Texten zum Thema Trauma und die Folgen haben eines gemeinsam: Sie rütteln an den Verdrängungen von Traumata wie Krieg, Kindesmisshandlung, Terrorakte, Unfälle, Überfälle, Naturkatastrophen. Also alles Ereignisse, die schon geschehen sind, zumeist nicht uns selbst, und die uns selbst mit einiger Wahrscheinlichkeit auch niemals widerfahren werden, jedenfalls nicht in dieser Zusammenballung.

Autoren und Leser von Texten zum Thema Trauma und die Folgen haben noch eines gemeinsam: Sie verdrängen zumeist die schweren und anhaltenden Traumatisierungen, die jetzt gerade, in diesem Moment –, Tausenden alten Menschen zugefügt werden. Es sind genau jene Traumatisierungen, die jedem von uns mit hoher Wahrscheinlichkeit unausweichlich bevorstehen, und die wir fröhlich ignorieren.

Obwohl die Gruppe der alten Menschen in unserer Gesellschaft die größte ist und weiter wächst, und obwohl die jetzt scheidende Generation durch Naziterror, zweitem Weltkrieg, Vertreibung, Vergewaltigungen, Stalinistischem Terror und kaltem Krieg möglicherweise als eine nahezu vollständig chronisch traumatisierte Generation gelten kann – im Unterschied zu uns, die wir die ersten sind, die bisher nicht selbst erfahren mussten, was Krieg bedeutet –, geraten ihre Traumatisierungen kaum in den Blick der Wissenschaftler. Nur wenige Gerontopsychiater beschäftigen sich damit, und sie sagen, dass gerade im Alter die jahrzehntelang erfolgreich verdrängten Traumatisierungen wieder hochkommen und den Betroffenen in die Demenz stürzen können. Sie sagen, dass es moderne Therapiemethoden dafür gibt, in deren Folge die alten Menschen Psychopharmaka absetzen und das Pflegeheim wieder verlassen können.

Es wäre menschlicher und kostengünstiger.

Ebenso, wie es so viel kostengünstiger wäre, jene wenigen Kinder, die gerade noch so eben lebend ihren chronisch traumatisierenden Eltern entkommen sind, einfach wie bisher in die bestens bewährten heilpädagogischen Familien zu geben und sie dort zu lassen, bis sie „flügge“ sind.

Durch Ihr Buch wird mir noch deutlicher, dass die seit „geschlagenen“ acht Jahren geplanten jährlichen Begutachtungen von Pflegekindern das Instrument sind, mit dem die traumatherapeutische Pflegefamilie langfristig und zuverlässig abgeschafft werden wird.

Die Begutachtungen zielen auf die seitens der Bürokratie unerwünschte Mutter- und Vaterliebe von Pflegeeltern. Sie zielen auf jene Substanz, aus der Belastbarkeit besteht. Deswegen wird die Institution der heilenden Pflegefamilie langfristig dadurch abgeschafft werden, und ich denke, genau das ist beabsichtigt.

Ich weiß wohl, dass wir nicht in einem totalitären Staat leben. Ich erinnere lediglich: Es gehört zu den Kennzeichen von Totalitarismus, alle Lebensäußerungen und Lebenszusammenhänge bis ins Intimste hinein zu kontrollieren und zu reglementieren, insbesondere die Eltern-Kind-Bindungen, und sie durch Denunziation zu zersetzen und zu zerstören. Die geplanten Begutachtungen sind amtliche Denunziationen. Es gehört weiter zu den Kennzeichen von Totalitarismus, dass die Begründungen für den totalen Kontrollanspruch austauschbar sind, und nachdem bei den planenden Bürokraten nicht einmal mehr der leiseste Anschein von Fachlichkeit mehr gewahrt werden konnte, verzichten sie ganz auf jede Begründung und ziehen sich ins totale Schweigen zurück.

Was kostet uns ein chronisch traumatisiertes Kind, dessen Sozialisierung misslingt, weil ihm die Grundvoraussetzung jeder Entwicklungschance, die Stabilität der Lebensverhältnisse, durch regelmäßige Begutachtungen entzogen wird?

Wenn aber die Rechnungen der Bürokraten weder bei den Kindern noch bei den Alten wirklich aufgehen, worum geht es dann?

Vielleicht sind wir hier wieder zum Anfang Ihres Buches „Trauma und die Folgen“ zurückgekehrt, in dem es um die vielfältigen Formen der Verdrängung des Themas der Folgen von chronischen Traumatisierungen geht. Vielleicht ist unsere totale Sozial-Bürokratie nichts anderes als eine Vereinigung von Desperados, denen jedes Mittel und jede noch so katastrophale Konsequenz ihrer Entscheidungen recht ist, damit in die Betonmauern ihrer eignen Verdrängungen auch nicht das kleinste Mauseloch hineingeknabbert wird. Auf dass es ja keine Unterbrechung im generationenübergreifenden Kontinuum der unbewussten Weitergabe verdrängter Traumata gibt.

Es sind die Mütter, die jenes Kontinuum durch Enttabuisierung unterbrechen können. Nur ihre archaische, irrationale und fehlerhafte Mutterliebe kann ihnen die Kraft dazu geben.

Wenn man sie lässt.

Viele herzliche Grüße,

Ihre Luisa Umlauf

Berlin, im April 2004

 

 

 

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