FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2005

 

Kommentar zur Hamburger Tragödie um Jessica

von Dr. Arnim Westermann und Dr. Monika Nienstedt

 

Warum die siebenjährige Jessica in einem Hamburger Hochhaus verhungern musste

Es wird noch viele Jessicas geben, solange der Staat ein blinder Wächter bleibt, der sein Wächteramt nicht ausübt1, weil die traumatischen Erfahrungen der Vernachlässigung und  Kindesmißhandlung verleugnet werden. Schon längst hatte man im Jugendamt gewußt, daß die Mutter, genauso wie ihre Mutter, vor der sie mit 13 Jahren floh, aufgrund eigener unbewältigter traumatischer Erfahrungen in der Kindheit vollkommen erziehungsunfähig ist. Man will es nicht wahr haben, daß es Eltern gibt, die nicht Eltern sein können, als gäbe es keine versagenden Eltern, sondern nur Eltern, die Hilfe brauchen2. Entsprechend dieser Ideologie ist das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) nichts anderes als ein Elternhilfegesetz. Wir haben viele Schutzgesetze, ein Verbraucherschutzgesetz, ein Tierschutzgesetz, ein Gewässerschutzgesetz, aber kein Kinderschutzgesetz3. Aber hätte man das Kind dieser erziehungsunfähigen Mutter in der frühen Kindheit weggenommen und in einer Pflegefamilie auf Dauer untergebracht, würde sich die gleiche Presse und die Öffentlichkeit, die sich jetzt über das Versagen der Behörden empört, darüber empören, daß der Staat den Eltern das Kind wegnimmt und triumphieren, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg den Eltern hilft, ihr Recht auf Familienleben4 durchzusetzen, und das Kind wieder den Pflegeeltern weggenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgebracht wird.

 

----------

1 Westermann, A: Wie das Kind aus dem Blick gerät. Anmerkungen zum KJHG. In: Stiftung zum Wohl des Pflegekindes (Hrsg.): 5 Jahre KJHG aus der Sicht des Pflegekinderwesens. Schulz-Kirchner, Idstein, 1996, S. 196-213.

2 „Eltern-Kind-Beziehungen als Täter-Opfer-Beziehungen zu sehen, widerspricht den kindlichen Idealisierungen der Eltern so elementar, daß sie verleugnet werden, bis schließlich sogar elterliches Versagen als unzulässige Stigmatisierung abgelehnt wird: »Wenn Familien Leistungen der Jugendhilfe gewährt werden, dann darf dies nicht einschließen, daß sie sich als grundsätzlich gestört, unfähig oder in anderer Weise abwertend kennzeichnen lassen müssen. Vielmehr darf kein Zweifel daran aufkommen, daß es durchaus zur Normalität des Lebens von Familien unserer Zeit gehört, bei unvermeidlichen Krisen und Belastungen Hilfe in Anspruch zu nehmen« (Bundesministerium für Jugend und Familie: Siebenter Jugendbericht. Jugendhilfe und Familie. Bonn 1986, S. 52).“ (Nienstedt, M., Westermann, A.: Pflegekinder. Psychologische Beiträge zur Sozialisation von Kindern in Ersatzfamilien. Votum, Münster  1989, 5. Aufl., 1998, S. 309)

3 Westermann, A.: Entwurf eines Kinderschutzgesetzes. In: Stiftung "Zum Wohl des Pflegekindes" (Hrsg.): 1. Jahrbuch des Pflegekinderwesens. Schulz-Kirchner, Idstein , 1998, S 232-244..

4 gemäß Artikel 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, wonach „jede Person das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“ habe. Vgl. Hoffmann, P.: Kann, darf oder muß man die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Pflegekindern ignorieren. Zentralblatt für Jugendrecht 2, 2005, S 44-55.

 

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken