FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2003

 

Anmerkung zu dem Entwurf der Berliner Ausführungsvorschriften

von Felicia Giese

 

 

Als ich mich damals entschied, heilpädagogische Dauerpflegekinder aufzunehmen, war ich mir sehr wohl darüber bewusst, meinen pädagogischen Beruf nach Hause zu verlegen und meine Arbeitsmöglichkeiten “außerhalb“ auf längere Sicht nicht realisieren zu können.

Da ich alleinerziehend bin, vertraute ich all die Jahre auf den Pflegevertrag und die in Berlin geltenden Sätze für Erziehungsgeld. Zumal die Heimkosten für behinderte Kinder um ein vielfaches höher liegen, als die für eine Unterbringung in der Pflegefamilie. Ich hatte also Vertrauen, als preiswertere Variante mit dem Verzicht auf einen Beruf mit Sozialabsicherungen und Feierabend-Stimmung, eine gewisse Wertschätzung zu erhalten, zu mindest keine “Gehaltskürzungen“ erfahren zu müssen.

Dies soll nun anders werden. Denn der Entwurf stellt für mich ein Vertrauensbruch dar.

Das Jugendamt hat aufgrund meiner Qualifikation drei behinderte Kinder in meine Obhut gegeben. Um meine Sozialabsicherung kümmere ich mich selbst, und wenn das Pflegegeld den einen oder anderen Monat nicht ausreicht, weil z.B. eines der Kinder durch erhöhten Verschleiß oder mutwillige Zerstörung mehr Kleidung oder Lernmaterial benötigt, bezahle ich das selbstverständlich von dem Erziehungsgeld.

Da meine Kinder aufgrund ihrer Problematik alle eigenen Wohnraum benötigen, frage ich mich unter anderem: wer finanziert mir nun die benötigte 5-Zimmer Wohnung in Berlin? Denn selbst wenn ich “außerhalb” arbeiten gehen könnte, ist dies nur unter Zustimmung aller Hilfeplan-Beteiligten und dann für maximal 15-20 Stunden erlaubt. Im Gegenzug verlange ich dementsprechend die Einführung von Sozialabsicherungen aller rund-um-die-Uhr Pflegeeltern.

Weiterhin ist vorgesehen, das heilpädagogische Erziehungsgeld zu kürzen, und mich ggf. für meine geleistete Arbeit, die Kinder kontinuierlich in ihren Fähigkeiten zu fördern, mit einer weiteren Gehaltskürzung zu bestrafen.

Eine derart massive Gehaltskürzung ist nicht hinnehmbar.

Schließlich erhalten Pädagogen/innen, die mit schwierigen und/oder behinderten Kindern arbeiten, wo auch immer, auch keine Gehaltskürzungen für gut geleistete Arbeit.

Die jährlichen Begutachtungen der Kinder, die defizitorientiert sind, lehne ich ab. Oft genug schon müssen behinderte oder/und traumatisierte Kinder sich der Situation aussetzen, schulische-IQ Tests, Diagnostik-Tests u.ä. zu “bestehen”, die sie gar nicht “bestehen” können. Eine entwürdigende Situation für die Kinder.

Dabei erleben sie ihr Unvermögen jeden Tag, und leiden mitunter sehr stark darunter.

Hinzu kommt, dass z.B. mein Sohn bis heute in Untersuchungssituationen so unterschiedlich “abgeschnitten“ hat, dass völlig verschiedene Ergebnisse heraus kamen. Das ging so weit, dass z.B. die Schule ihn als normal intelligentes Kind getestet hat, er aber in der vierten Klasse so massive Lernprobleme hatte (er kann z.B. nicht Lesen und Schreiben), dass er als lernbehindertes Kind integriert wird.

Das Versorgungsamt wiederum sah sich veranlasst, nach genauerer Begutachtung, einen Schwerbehinderten-Ausweis mit 80% zu erteilen, sowie die Merkzeichen gehbehindert, hilflos und angewiesen auf eine ständige Begleitperson. Dennoch hält die Schule weiterhin an ihren eigenen Ergebnissen fest. Also, wohin soll das führen? Es kommt sowieso immer anders, als getestet wird.

Und ganz nebenbei soll ich dann noch Kontakte zu den Herkunftseltern konstruktiv fördern, wahrscheinlich unabhängig davon, ob sie bei dem Kind Ängste auslösen und/oder der leibliche Vater mit Gewalt droht. Es reicht!

Ich bin gerade dabei, Kontakte konstruktiv aus eben genannten Gründen mit einem gut bezahlten Anwalt zu pflegen. Selbstverständlich aus eigener Tasche. Auch mache ich mir große Sorgen um die Qualifizierung von Pflegeeltern für heilpädagogische Kinder.

Zunächst werden schwierige Kinder an in diesem Bereich unerfahrene Menschen vermittelt, um dann hinterher durch verpflichtende Fortbildungen etc. den Pflegeeltern zu vermitteln, warum sie gerade so massive Probleme mit den Kindern haben, oder gar im Begriff sind zu scheitern. Denn drei Monate Pflegeelternschule werden wohl kaum ausreichen, um auch nur annähernd klar zu machen, um was es hier geht.

Mein Eindruck ist vermehrt, dass Erziehungsstellen und Heime mit diesem Entwurf gestärkt und belegt werden sollen.

Es wird weniger Menschen geben, die die Aufgabe der Pflegeelternschaft übernehmen werden, und Abbrüche werden wieder steigen. Jetzt schon hörte ich von Pflegeeltern, die Arbeit unter der neuen AV nicht mehr leisten zu können.

Berlin, Januar 2003

 

 

 

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