FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2003

 

Stellungnahme des PFAD-Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. zum Entwurf der Ausführungsvorschriften des Berliner Senats zur Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege
(AV-Vollzeitpflege; Fassungen von Okt. und Nov. 2002)

 

 

PFAD, der Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. begrüßt die Bemühungen des Senats um grundlegende Verbesserungen der Arbeitsbedingungen von Pflegeverhältnissen im Rahmen folgender Maßnahmen:

1. der obligatorischen Qualifizierung von Pflegeeltern in vorbereitenden Kursen an einer Pflegeelternschule

2. der kontinuierlichen, das Pflegeverhältnis begleitenden Weiterbildung in Form von Supervision, Beratung und Fortbildung (eine Beschränkung auf bestimmte Institutionen sollte dabei jedoch nicht vorgenommen werden)

3. der angestrebten Erhöhung des Sockelbetrags des Erziehungsgeldes

4. der Begrenzung der befristeten Vollzeitpflege auf drei Monate, da es grundlegenden fachlichen Notwendigkeiten entspricht, die bestmögliche und unverzügliche Klärung der weiteren Zukunftsperspektive für das Pflegekind institutionell umfassender zu verankern.

Dagegen fordert der Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. mit Nachdruck die Wahrung der Rechtssicherheit für alle derzeit bestehenden Pflegeverhältnisse:

Im Hinblick auf die Sicherung der Lebenssituation und Lebensperspektive der derzeit in Vollzeit- und Tagespflege untergebrachten Pflegekinder und –jugendlichen, wie auch ihrer Pflegefamilien/Tageseltern, erscheint es dem Bundesverband in keinster Weise vertretbar, die bisher entwickelte Infrastruktur der Pflegeverhältnisse zu gefährden (insbesondere die auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmte Wohnsituation und Gestaltung des Alltagslebens mit der damit verbundenen Integration in ein vertrautes und Sicherheit stiftendes soziales Umfeld; unverzichtbare Leistungen für Sozialversicherung und Altersvorsorge; die Möglichkeit zur Bestreitung der Kosten notwendiger Therapie- und Heilverfahren auf Basis des Erziehungsgeldes, die aus anderen Quellen nicht geleistet werden; der Ersatz von Gegenständen, die durch überdurchschnittliche Zerstörung und außerordentlichen Verschleiß in Folge der erhöhten psychophysischen und psychosozialen Belastung der Kinder unbrauchbar geworden sind; die Finanzierung unverzichtbarer Erholungsmöglichkeiten für alle Beteiligten, u.a.m.).

Eine Reduktion des bisherigen Förderumfanges bedeutete eine eklatante Verschärfung der psychosozialen Belastungen von Pflegefamilien über die Grenzen des Erträglichen hinaus. Folgen wären eine nicht zu rechtfertigende Steigerung der Risikofaktoren der kindlichen Entwicklung der Pflegekinder (Erhöhung von Stressfaktoren in der Lebensgestaltung; somit Steigerung der Gefahr des Scheiterns des Pflegeverhältnisses sowie erneuter Erfahrungen von Beziehungsabbrüchen und Trennungen, welche vielfach auf Dauer nicht mehr kompensierbar wären; in der Folge Heimeinweisung mit dem mehrheitlich endgültigen Verlust einer Einbindung in ein familiäres soziales System, u.a.m.). Zudem käme es zur Zerschlagung langfristiger Lebensplanungen der Pflegeeltern und Gefährdung ihrer Existenzgrundlage, welche ebenso den Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben erschüttern würde.

Eine Verminderung des Pflegegeldes stellte zudem eine äußerst schmerzhafte Missachtung der alltäglichen außerordentlichen Bemühungen von Pflegeeltern um bestmögliche Förderung und Unterstützung der Lebensbedingungen der Pflegekinder dar.

Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Bundesverbandes auch die Institution der heilpädagogischen Vollzeitpflege dauerhaft in ihrer jetzigen vorbildlichen Form zu gewährleisten. Denn sie bietet gerade denjenigen Kindern und Jugendlichen eine einzigartige Chance, welche aufgrund schwerwiegender Traumatisierungs-, Deprivations- und Trennungserfahrungen und/oder Behinderung von einer normalen Pflegestelle, auch bei obligatorischer vorbereitender und begleitender Fortbildung, keineswegs dauerhaft integriert und hinreichend unterstützt werden können. Ihnen steht andernfalls nur eine Unterbringung im Heim offen, bei Verlust des familiären Beziehungsgefüges und der besonderen individuellen Bindungs- und Entwicklungsmöglichkeiten des Settings von Pflegefamilien.

Entsprechend negativ ist auch die Absicht einer jährlichen Überprüfung des erweiterten Bedarfs zu bewerten. Je besser sich zu diesem Zeitpunkt die Situation des Kindes darstellt, desto wahrscheinlicher wird eine Schlechterstellung der Förderbedingungen. Auch dies bedingt eine unzumutbare Belastung des Pflegeverhältnisses, mit der Gefahr entsprechender langfristiger schwerwiegender Folgeschäden. Zudem impliziert diese Maßnahme eine destruktive Abwertung der vielschichtigen und unersetzlichen Bemühungen der Pflegeeltern um die Entwicklungsförderung der Pflegekinder, die bei Erfolg mit einer Reduktion der materiellen Leistungen rechnen müssen.

Abschließend weist der Bundesverband darauf hin, dass in den Ausführungsvorschriften kein Bezug genommen wird auf die besondere Situation von traumatisierten Kindern, für die eine Fremdunterbringung erforderlich wird. Bei Kenntnis von oder Verdacht auf Misshandlung, Missbrauch, Vernachlässigung oder sonstige Traumatisierung der Kinder sollte bereits vor der Entscheidung über die Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Diagnostik durchgeführt werden, die Aufschluss gibt über die daraus resultierenden psychophysischen Belastungen, notwendige therapeutische und unterstützende Hilfen, Kriterien für die Auswahl einer geeigneten Pflegefamilie sowie die Rahmenbedingungen der Umgangsgestaltung mit der Herkunftsfamilie.

(März 2003)

 

 

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