FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2003

 

Ausführungsvorschriften
über Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege
Av-Vollzeitpflege

Entwurf
(Stand: Februar 2003)

 

 

Auf Grund von § 56 des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) in der Fassung vom 27. April 2001 (GVBI. S.134) wird nach Anhörung des Landesjugendhilfeausschusses bestimmt:

1. Rechtsgrundlage

(1) Diese Ausführungsvorschriften regeln die Vermittlung, Unterbringung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen sowie die materiellen Leistungen für den Unterhalt und die Erziehung des Kindes oder Jugendlichen bei Hilfen zur Erziehurig In Vollzeitpflege auf Grund von § 33 SGB VIII.

(2) Nach § 79 SGB VIII haben die Träger der Öffentlichen Jugendhufe die Gesamtverantwortung für die Verfügbarkeit dieser Hilfe einschließlich Planungsverantwortung und Gewährleistungsverpflichtung.

Der öffentliche Träger kann Träger der freien Jugendhilfe an der Durchführung der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege beteiligen. Zur Wahrnehmung von Aufgaben durch einen Träger der freien Jugendhilfe wird ein Vertrag geschlossen.

(3) Anspruchsberechtigte sind bei dieser Hilfe die Sorgeberechtigten, wenn der erzieherische Bedarf gegeben und Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege geeignet und notwendig ist.

2 Vollzeitpflege

(1) Vollzeitpflege umfasst die Unterbringung, Erziehung und Betreuung eines Kindes oder Jugendlichen in einem familiären Lebenszusammenhang außerhalb der Herkunftsfamilie. Sie unterscheidet sich von ErziehungsstelIen nach § 34 SGB VIII dadurch, dass diese Form der Hilfe zur Erziehung von Erziehungspersonen und ihrer Familie auf privater Ebene geleistet und nicht durch professionelle pädagogische Mitarbeiter/-innen auf institutioneller Ebene (mit Trägeranbindung) erbracht wird.

(2) Vollzeltpflege ist bestimmt für Kinder und Jugendliche, bei denen die Erziehung in ihrer Herkunftsfamilie vorübergehend oder dauerhaft nicht ausreichend gewährleistet ist und andere Hilfen zur Erziehung nicht geeignet sind. Für diese Form der Hilfe zur Erziehung kommen Kinder und Jugendfiche in Betracht, deren Entwicklung das leben in einem familiären Lebenszusammenhang geeignet und förderlich ist. Auch für behinderte Kinder und Jugendliche mit einem erweiterten Förderbedarf aufgrund von besonderen Erziehungsschwierigkeiten, Störungen oder Behinderungen ist diese Hilfeform geeignet.

Besondere Merkmale sind verlässliche Bezugspersonen in einem überschaubaren und kontinuierlichen Familienverband. Die enge personale elternähnliche Beziehung zwischen Kind und Erziehungsperson und die daraus resultierende Bindungsdynamik unterscheidet die Vollzeitpflege von anderen Formen der Fremdunterbringung.

(3) Ziel dieser Hilfe zur Erziehung ist die soziale Integration des in seiner Entwicklung beeinträchtigten Pflegekindes in einen familiären Rahmen, die Förderung der kindlichen Entwicklung sowie die Sicherung der Beziehungskontinuität zu seiner Herkunftsfamilie unter Berücksichtigung seines individuellen Hilfebedarfs.

Der Erziehungshilfebedarf des Kindes oder Jugendlichen ist oftmals verbunden mit einer Entwicklungsverzögerung/-störung, mit der Erfahrung von Trennung und oder Traumatisierung.

(4) Die Hilfe zur Erziehung in einer Vollzeitpflegefamilie soll das Aufwachsen in einer familialen Lebensform bei befristetem oder langfristigem Ausfall der Herkunftsfamilie gewährleisten. Sie wird beendet bei Rückkehr in die Herkunftsfamilie, bei Einsetzen einer anderen Jugendhilfeleistung bzw. bei Verselbständigung des jungen Menschen.

(5) Die Fortsetzung der Hilfe bei Eintritt der Volljährigkeit bedarf der besonderen Prüfung und Hilfeplanung.

3. Voraussetzungen an die Erziehungsperson/Pflegefamilie

(1) Voraussetzung für die Betreuung eines Kindes in Vollzeltpflege ist eine Qualifikation, die durch Teilnahme an einer Pfegeelternschulung erworben wird. Darüber hinaus nimmt die Erziehungsperson regelmäßig laut Hilfeplan an Supervision, Fortbildung und Beratung teil.

(2) Als Pflegestellen kommen unterschiedliche Familienformen in Betracht. Dazu zählen auch unverheiratete Paare, gleichgeschlechtliche Paare, Alleinstehende.

Im Einzelfall ist die Pflegestelle nach dem Alter, Entwicklungsstand, der aktuellen Lebenssituation, der emotionalen-sozialen Bindung des Kindes oder Jugendlichen und der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung zu bewerten. Die Erziehungspersonen, die ein ausländisches Pflegekind aufnehmen will, muss der jeweiligen kulturellen Prägung gegenüber aufgeschlossen sein.

(3) Die Erziehungsperson versorgt das Kind oder den Jugendlichen in seinen Grundbedürfnissen unter Berücksichtigung des individuellen Entwicklungsbedarfs. Sie stabilisiert und fördert das Selbsthilfepotenzial des Kindes oder Jugendlichen sowie seine geistige und körperliche Entwicklung. Sie fördert seine schulische und soziale Integration. Im Rahmen ihrer Betreuung sichert die Erziehungsperson die entwicklungsfördernde Beziehungskontinuität zwischen Kind und Herkunftsfamilie. Für diese Leistungen stellt sie einen ausreichenden Zeitrahmen für die Grundversorgung und Betreuung des Kindes/Jugendlichen zur Verfügung.

(4) Grundlegende Anforderungen an die Erziehungsperson zur Bewältigung der Erziehungsleistung sind dem "Leitfaden zur Feststellung der Eignung und Auswahl von Erziehungspersonen bei Vollzeltpflege (§ 33 SGB VIII)" zu entnehmen (s. Anlage 1). Sie umfassen:

  • erzieherische Kompetenz und Erfahrung,
  • Beziehungs- und Bindungsfähigkeit,
  • Reflexionsfähigkeit,
  • Kooperationsfähigkeit im Rahmen des öffentlichen Erziehungsauftrages
  • stabile familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse.

(5) Durch besondere Beeinträchtigungen/Erziehungsschwierigkeiten beim Kind sind erweiterte Anforderungen an die Erziehungsleistung gestellt. Daher sind ausgeprägte persönliche und soziale Kompetenzen der Erziehungsperson erforderlich. Die erweiterten Anforderungen an die Erziehungsperson über die beschriebenen Kompetenzen hinaus umfassen zur Bewältigung dieser Erziehungsleistung:

  • Empathiefähigkejt,
  • besondere Belastbarkeit,
  • erhöhte Reflexionsfähigkeit,
  • Kooperations- und Lernbereitschaft,
  • Strukturiertheit (Innere und äußere Arbeitsorganisation, Integrationsfähigkeit, Fähigkeit zu Vorsorge)

(6) Die erweiterten Anforderungen an die Erziehungsleistung sind dem "Leitfaden zur Ermittlung des erweiterten Förderbedarfs bei Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII)“ (s. Anlage 2) zu entnehmen. Er ist Grundlage für Hilfeplanung und Diagnostik.

(7) In einer Vollzeitpflegefamilie leben in der Regel nicht mehr als drei Pflegekinder. Die Hilfeplanung hat ggf. den Zusammenhalt von Geschwisterkindern zu berücksichtigen. Mischformen mit Erziehungsstellen nach § 34 SGB VIII sind nicht zulässig.

(8) Die Erziehungsperson/Pflegefamilie muss über ausreichenden Wohnraum mit einer kindgerechten, altersgemäßen Ausstattung verfügen. Mit Erbringung dieser Leistung sollte keine finanzielle Abhängigkeit entstehen.

(9) Eine Teilzeitbeschäftigung der Erziehungsperson (max. 15-20 Wochenstunden) ist möglich. Der Umfang der Erwerbstätigkeit ist mit den Erziehungszielen des Hilfeplans abzustimmen.

(10) Pflegeverhältnisse sind in der Regel so zu vermitteln, dass sie zur Vollendung des 63. Lebensjahres der Erziehungsperson beendet sind.

4. Besondere Formen der Vollzeitpflege

4.1 Vollzeitpflege bei erweitertem Förderbedarf des Kindes/Jugendlichen

(1) Zur Regelleistung können erweiterte Anforderungen an die Erziehungsleistung, auch kurzfristig hinzutreten. Diese sind durch einen - ggf. zeitlich begrenzten – erweiterten Förderbedarf des Kindes auf Basis der Diagnostik im Rahmen der Hilfeplanung begründet (auch i.V.m. § 35a SGB VIII oder § 39 BSHG).

(2) Vollzeitpflege mit erweitertem Förderbedarf des Kindes/Jugendlichen ist dann gegeben, wenn über den regulären Erziehungshilfebedarf hinaus Erziehungsschwierigkeiten und Entwicklungsstörungen ggf. in Zusammenhang mit einer Behinderung vorliegen. Die Feststellung oder der Nachweis einer (drohenden) Behinderung gemäß § 35a SGB VIII oder § 39 BSHG begründet allein nicht einen erweiterten Förderbedarf.

(3) Die Erziehungsperson unterstützt und fördert die Entwicklung des Pflegekindes und gewährleistet im Rahmen der Hilfeplanung ggf. die Einleitung und Unterstützung notwendiger besonderer pädagogischer und ggf. psychologischer/therapeutischer Hilfen für das Kind.

(4) In einer Pflegefamilie kann in der Regel ein Kind mit erweitertem Förderbedarf untergebracht werden, in besonderen Ausnahmefällen zwei Kinder. Geschwister von Pflegekindern sind vorrangig in die Hilfeplanung einzubeziehen.

4.2 Befristete Vollzeitpflege

(1) Die befristete Vollzeitpflegestelle ist für Pflegekinder vorgesehen, deren Erziehung und Betreuung für einen überschaubaren Zeitraum von der Herkunftsfamilie nicht sicher gestellt werden kann, deren Rückkehr aber aufgrund der vorliegenden familiären Situation zu erwarten ist.

Ziel ist die Sicherung der Erziehung und Versorgung des Kindes bei gleichzeitigem Erhalt des sozialen Umfeldes und des Kontaktes zur Herkunftsfamilie.

(2) Vor der Unterbringung eines Kindes in einer befristeten Vollzeitpflegestelle ist zu prüfen, ob nicht vorrangig eine Hilfe nach § 38 SGB V oder nach § 20 SGB VIII in Betracht kommt.

(3) Die befristete Vollzeitpflege ist auf 3 Monate zu begrenzen. Eine Verlängerung ist nur im begründeten Ausnahmefall zulässig. Die Hilfeplanung erfolgt für jeweils max. 6 Wochen.

(4) Die befristete Vollzeitpflegestelle umfasst grundsätzlich nur ein entsprechendes Pflegekind. Es ist zu prüfen, ob in der Pflegefamilie mehr als zwei Pflegekinder insgesamt betreut werden können. Ausnahmen, auch unter Berücksichtigung von Geschwistern, sind im Rahmen der Hilfeplanung zu entscheiden.

(5) Die Erziehungsperson muss in der Lage sein, Kinder in dieser belastenden Lebenssituation im Spannungsfeld zwischen Bindung und Trennung stützend zu begleiten. Die zu klärende Rückkehrmöglichkeit erfordert in der Regel engen Kontakt zur Herkunftsfamilie, ggf. Begleitung des Kindes bei der Wiedereingliederung in seine Familie oder die Unterstützung bei einem Wechsel in eine dauerhafte Unterbringungsform.

(6) Die Erziehungsperson gewährleistet den Kontakt zur Herkunftsfamilie, soweit dies nicht dem Kindeswohl widerspricht, und unterstützt den Erhalt des sozialen Umfeldes. Auch Übernachtungen bei den Herkunftseltern bleiben in Abstimmung mit dem Jugendamt möglich.

5. Örtliche Zuständigkeit (Berlin und außerhalb)

(1) Bei Aufnahme eines Pflegekindes aus einem anderen Bundesland oder bei Unterbringung in einem anderen Bundesland sind die Regelungen der §§ 86 (1) bis (6) sowie der § 89a SGB VIII zu berücksichtigen.

(2) Bei Unterbringung eines Berliner Pflegekindes in Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) in einem der Berliner Bezirke findet der § 86 Abs. 6 SGB VIII keine Anwendung. Das nach § 86 (1) bis (5) zuständige Jugendamt (sog. Herkunftselternjugendamt) hat die Zuständigkeit für die Hilfeplanung und ist Kostenträger für den gesamten Zeitraum der Unterbringung.

(3) Das Jugendamt, in dessen Einzugsbereich sich die Pflegefamilie befindet (sog. Pflegestellenjugendamt) übernimmt die Vermittlung, Prüfung und Betreuung der Pflegestelle. Hierfür erfolgt keine Kostenerstattung. Die Prüfung, Vermittlung und Betreuung einer Pflegefamilie durch das Herkunftselternjugendamt in einem anderen Berliner Bezirk ist nicht möglich.

(4) Übernimmt ein Träger der freien Jugendhilfe die Vermittlung, Prüfung und Betreuung einer Pflegestelle, so schließt das Herkunftselternjugendamt mit dem Träger der freien Jugendhilfe einen Vertrag über die an ihn übertragenen Aufgaben, einschließlich der hiermit verbundenen Kosten.

(5) Das Pflegestellenjugendamt wählt den in seinem Einzugsbereich tätigen freien Träger aus.

(6) Die Unterbringung in einer Pflegestelle eines anderen Bezirks erfolgt in Absprache mit dem dortigen Jugendamt.

(7) Stellt ein freier Träger den Berliner Jugendämtern eine Pflegestelle zur Verfügung, so hat das Pflegestellenjugendamt ein auf einen Monat befristetes Erstbelegungsrecht. Diese Regelung dient dem Jugendamt zur Gewährleistung des eigenen Bedarfs. Die Frist beginnt mit schriftlicher Bekanntgabe durch den freien Träger gegenüber den Berliner Jugendämtern.

(8) Aufsicht und Qualitätssicherung der freien Trägers obliegt dem Landesjugendamt.

(9) Das Landesjugendamt kann allgemeine, verbindliche Vorgaben für den Inhalt des Abschlusses von Verträgen über die Betreuung und Werbung von Dauerpflegestellen machen. Diese Vorgaben werden durch Rundschreiben bekannt gemacht.

6. Hilfeplanung

(1) Die Prüfung der Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege trifft das Herkunftselternjugendamt. Es ist federführend  verantwortlich für:

  • Beratung der Personensorgeberechtigten und des KindesIJugendlichen,
  • Entscheidung über die notwendige und geeignete Hilfe einschließlich Prognoseentscheidung über die Hilfeperspektive,
  • Prüfung des Förderbedarfs des Kindes oder Jugendlichen,
  • Feststellung des erweiterten Förderbedarfs in Verbindung mit dem Fachdiagnostischen Dienst (entsprechend dem Leitfaden 2 zur Ermittlung des erweiterten Förderbedarfs bei Vollzeitpflege",
  • Prüfung der Passfähigkeit von Kind/Jugendlichem und Erziehungsperson/Pflegefamilie (entspechend dem Leitfaden 1 zur Feststellung der Eignung und Auswahl von Erziehungspersonen bei Vollzeitpflege § 33 SGB VIII") in Kooperation mit dem Pflegestellenjugendamt,
  • Abschluss der Pflegeverträge,
  • fachliche Begleitung des Hilfeprozesses in Abstimmung mit dem Pflegestellenbezirk,
  • Fortschreibung des Hilfeplans und seine regelmäßige Überprüfung,
  • Beendigung der Hilfe.

(2) Das Pflegestellenjugendamt ist zuständig für die:

  • Prüfung der Pflegestelle,
  • Beteiligung an der Hilfeplanung des unterbringenden Jugendamtes,
  • Beratung und Begleitung der Pflegefamilie auf der Grundlage der Hilfeplanung, ggf. unter Mitwirkung eines freien Trägers.

(3) Das Herkunftsjugendamt legt im Hilfeplan - zusammen mit allen Beteiligten – Inhalt, Umfang und Dauer der notwendigen Leistungen, sowie die Intervalle der Hilfeplanüberprüfung halbjährlich bis jährlich fest. Die mit der Hilfe kurz-, mittel- und langfristig angestrebten Ziele und die damit verbundene Zeitdauer werden im Hilfeplan aufgenommen.

(4) Die Begleitung des Hilfeprozesses durch das Pflegestellenjugendamt und gegebenenfalls freien Träger erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der Rückkehrmöglichkeit des Kindes oder Jugendlichen in seine Herkunftsfamilie innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens bezogen auf den Entwicklungsstand des Kindes und die Entwicklungsmöglichkeit der Herkunftsfamilie.

Wird im Verlauf des Entscheidungsprozesses schon frühzeitig erkennbar, dass eine Rückkehr des Kindes auszuschließen ist, muss die Sicherung des dauerhaften Lebensortes im Vordergrund stehen.

(5) Die Förderung des Kontaktes zu den Herkunftseltern ist Bestandteil der Hilfe unabhängig davon, ob die Hilfe in Vollzeitpflege auf eine Rückkehr des Kindes in die Herkunftsfamilie oder einen Verbleib in der Pflegefamilie zielt. Herkunftseltern sind, soweit es des Kindeswohl zulässt, in den Entwicklungsprozess einzubinden.

(6) Die Beratung und Unterstützung der Herkunftsfamilie sowie die Begleitung, Beratung und Supervision der Erziehungsperson/Pflegefamilie wird im Hilfeplan dokumentiert und auf der Grundlage des Hilfeplans sichergestellt.

Vereinbarungen bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Pflegeeltern und leiblichen Eltern/Herkunftsfamilie sowie Absprachen zu Häufigkeit und Ausgestaltung von Besuchskontakten sind im Interesse einer positiven Entwicklung des Kindes zu treffen.

7. Verfahren zur Feststellung eines erweiterten Förderbedarfs in Vollzeitpflege

(1) Wird im Verlauf des Hilfeplanverfahrens bzw. im Verlauf eines bereits bestehenden Pflegeverhältnisses ein erweiterter Förderbedarf des Kindes oder Jugendlichen vermutet, ist von dem Herkunftselternjugendamt immer eine diagnostische Stellungnahme einzuholen.

(2) Das Herkunftselternjugendamt stimmt mit dem Pflegestellenjugendamt ab, welcher der bezirklichen fachdiagnostischen Dienste (Erziehungs- und Familienberatungsstelle, Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst) mit der Stellungnahme zur Ermittlung bzw. Prüfung des erweiterten Förderbedarfs beauftragt werden soll. Grundlage bildet der „Leitfaden zur Ermittlung des erweiterten Förderbedarfs bei Vollzeitpflege".

(3) Die gutachterliche Stellungnahme wird innerhalb einer Frist von 4 Wochen gewährleistet. Wird der Auftrag an einen externen Gutachter übergeben, bleibt der bezirkliche fachdiagnostische Dienst für die Einhaltung der vereinbarten Standards sowie für das gesamte Verfahren verantwortlich.

(4) Das Herkunftselternjugendamt legt zusammen mit allen Beteiligten im Hilfeplan Inhalt, Umfang und Dauer der notwendigen Leistungen sowie die Intervalle der Hilfeplanüberprüfung, ggf. mit Einbeziehung des fachdiagnostischen Dienstes, fest. Besteht nach Ablauf des festgelegten Zeitrahmens der erweiterte Förderbedarf weiterhin oder ist dies zu vermuten, ist eine aktuelle fachdiagnostische Stellungnahme einzuholen. In begründeten Einzelfallen, wenn nach allen fachlichen Einschätzungen keine wesentlichen Änderungen in einem absehbaren Zeitraum zu erwarten sind, kann von der regelmäßigen gutachterlichen Überprüfung im Rahmen der Fortschreibung des Hilfeplans abgesehen werden. Diese Entscheidung wird im Hilfeplan dokumentiert.

8. Prüfung der Eignung

(1) Die Eignung der Erziehungsperson wird durch das Pflegestellenjugendamt festgestellt. Der zuständige Fachdienst berät die Bewerberinnen, bespricht die Beweggründe, ein Kind oder einen Jugendlichen in Vollzeitpflege aufzunehmen, informiert über die grundlegenden Anforderungen, die an die Erziehungsleistung gestellt werden, und überprüft diese anhand des „Leitfadens zur Feststellung der Eignung und Auswahl von Erziehungspersonen/Pflegeeltern in VolIzeitpflege“.

(2) Zur Vorbereitung, auch Auswahl und Überprüfung von Pflegeelternbewerben/-innen kann das Jugendamt einen anerkannten Träger der freien Jugendhilfe beauftragen.

(3) Bereits erfolgte Prüfungen im Rahmen von Adoptionsvermittlung sind in die Prüfung der Eignung einzubeziehen.

(4) Für Pflegeverhältnisse unabdingbar sind ein Attest über die gesundheitliche Eignung der Erziehungsperson sowie ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis. In begründeten Fällen kann das Jugendamt ein polizeiliches Führungszeugnis bzw. ein Gesundheitsattest auch von Haushaltsangehörigen der Erziehungsperson verlangen.

(5) Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Erziehungsperson/Pflegeeltern muss gewährleisten, dass diese für ihren Lebensunterhalt nicht auf Leistungen angewiesen sind, die für den Lebensbedarf des Kindes oder Jugendlichen bestimmt sind.

9. Fachliche Unterstützung der Pflegefamilie

(1) Das Pflegestellenjugendamt berät und unterstützt die Erziehungsperson/Pflegeeltern von der Vorbereitung bis zur Beendigung der Hilfe in Vollzeitpflege in Abstimmung mit dem für die Hilfeplanung zuständigen Jugendamt. Die Beratung und Betreuung der Pflegefamilie sowie die Fortbildung der Erziehungsperson kann Trägern der freien Jugendhilfe übertragen werden. Die Unterstützung und Begleitung der Pflegefamilie umfasst:

  • Regelmäßige aufsuchende Kontakte, Begleitung und Beratung der Pflegefamilie zu allen das Pflegeverhältnis betreffenden Fragen,
  • Unterstützung und fachliche Begleitung in der Zusammenarbeit mit der Herkunftsfamilie, insbesondere bei der Gestaltung des Umgangs, in Konfliktsituationen und bei Gerichtsverfahren,
  • Begleitung und Beratung der Erziehungsperson im Hilfeplanprozess,
  • Unterstützung bei der Wahrnehmung regelmäßiger Fortbildungsangebote,
  • Initiierung und Unterstützung bzw. Moderation von Selbsthilfegruppen,
  • Klärung und Unterstützung in Krisensituationen in der Pflegefamilie,
  • Unterstützung bei der Überleitung des Pflegekindes in eine neue Pflegefamilie oder sonstige Vollzeitunterbringung bei kurzfristiger Beendigung des Pflegeverhältnisses.

10. Pflegevertrag

(1) Das Pflegestellenjugendamt entscheidet nach den Anforderungen über die Erfüllung der Voraussetzungen der Pflegestellenbewerber/-innen. Das Herkunftselternjugendamt schließt auf der Grundlage der Hilfeplanentscheidung und zum Zeitpunkt der Aufnahme eines Kindes in eine Pflegestelle den entsprechenden Pflegevertrag ab.

(2) Im Pflegevertrag sind die Dauer des Pflegeverhältnisses, einschließlich der Bestimmungen zur Kündigung oder sonstigen Beendigung des Pflegevertrages, die Mitwirkung bei der Hilfeplanung und seiner Fortschreibung während der gesamten Dauer des Pflegeverhältnisses sowie die Verabredungen zum Umgang mit der Herkunftsfamilie niederzulegen. Darüber hinaus wird in einer entsprechenden Vereinbarung mit den leiblichen Eltern der Umfang der Übertragung der Personensorge an die Erziehungsperson (Entscheidungs- und Vertretungsbefugnisse in Angelegenheiten des täglichen Lebens (§ 1688 BGB) geregelt. Diese Vereinbarung ist als Anlage dem Pflegevertrag beizufügen.

(3) Dem Pflegevertrag wird ebenfalls der aktuelle Teil Zielvereinbarung zwischen Jugendamt und Erziehungsperson sowie Fortschreibung des Hilfeplans als Anlage beigefügt.

(4) Die Kündigung bedarf der Schriftform. Bei einer außerordentlichen Kündigung ist diese unverzüglich schriftlich zu bestätigen.

11. Materielle Leistungen

(1) Die materiellen Leistungen für die Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege werden auf Grundlage des § 39 SGB VIII gewährt. Sie setzen sich zusammen aus der Pauschale für den Lebensunterhalt, Erziehungsabgeltung und Beihilfen.

(2) Die Höhe der Pauschalen für den laufenden Unterhalt, für einmalige Beihilfen und Zuschüsse sowie für die Erziehung bestimmt sich nach den Familienpflegegeldvorschriften (AV-Vollzeitpflegeleistungen) in der jeweils geltenden Fassung. Einmalige Beihilfen richten sich nach dem im Beschluss der Kostensatzkommission für den Jugendhilfebereich verabschiedete "Katalog der Nebenkosten (Teil A und Teil B) gemäß § 39 SGB VIII in der jeweils aktuellen Fassung.

(3) Die Erziehungsabgeltung bezieht sich auf die Kosten der Erziehung. Weitere Einzelheiten sind in den Ausführungsvorschriften über laufende Leistungen zum Unterhalt und zur Erziehung (AV-Vollzeitpflegeleistungen) geregelt.

(4) Auf die Erziehungsabgeltung nicht anzurechnen sind Leistungen (z.B. nach dem Pflegegesetz SGB IX), die die Erziehungsperson erlangt, weil der junge Mensch, den sie im Rahmen der Hilfe zur Erziehung betreut, behindert ist.

(5) Ändern sich die Pauschale für den Lebensunterhalt im Laufe eines Monats wegen Erreichens der Altersgrenze, so ist die veränderte Pauschale ab dem nachfolgenden Monat zu zahlen.

(6) Bei Unterbringungen im Laufe eines Monats sind die Leistungen zum Unterhalt und die Erziehungsabgeltung für den entsprechenden Teil des Monats zu zahlen.

(7) Endet ein Pflegeverhältnis im Laufe eines Monats, so ist die Zahlung der Pauschale für den Lebensunterhalt und die Erziehungsabgeltung zum Ende des Monats einzustellen.

(8) Bei vorübergehender Abwesenheit des Kindes oder Jugendlichen von der Pflegestelle (z.B. aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes, aber auch bei seinem vorübergehenden Fernbleiben) sind die Leistungen zum Unterhalt und die Erziehungsabgeltung für längstens sechs Wochen weiter zu gewähren.

(9) Für Kinder und Jugendliche, die sich länger als sechs Wochen mit dem Ziel der Rückkehr in die Pflegestelle anderweitig aufhalten, wird der einfache maßgebliche Regelsatz gezahlt.

(10) Die Erziehungsperson hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für externe Supervision. Die Höhe der Kosten richtet sich nach den jeweils geltenden Festsetzungen für die Leistungen nach §§ 27 ff SGB VIII im Rahmen des § 78a SGB VIII. Umfang und Dauer werden im Rahmen der Hilfeplanung festgelegt und fortgeschrieben. Der Umfang beträgt maximal 2 Stunden monatlich.

12. Heranziehung zu den Kosten der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege

Die Heranziehung zu den Kosten bestimmt sich nach den maßgeblichen Regelungen des SGB VIII i.V.m. dazu erlassenen Ausführungsvorschriften in der jeweils geltenden Fassung.

14. Inkrafttreten

Diese Ausführungsvorschriften treten am.... 2003 zeitgleich mit den Ausführungsvorschriften über laufende Leistungen zum Unterhalt und zur Erziehung in Vollzeitpflege (AV-Vollzeitpflegeleistungen) in Kraft. Sie ersetzen die Ausführungsvorschriften über die Unterbringung von Minderjährigen in Pflegestellen (Pflegekindervorschriften AV-PKV) vom 13. November 1984 (DBl, IV S. 101).

s.a. AV-Entwurf vom 22.10.2002
s.a.
AV-Entwurf (Feb. 2003)
s.a.
AV-Entwurf vom 27. Feb. 2003

 

weitere Beiträge im Internet:
http://www.arbeitskreis-pflegekinder.de/ (Infos/Aktuelles)
http://www.arbeitskreis-pflegekinder.de/ak/infos/neu/Stellung_Pflegestelle.html

 

 

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