FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2003

 

zu Babyklappen:

Präsidentin des BDH, Magdalene Weiß, 72076 Tübingen

 

An die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Christel Riemann-Hanewinkel Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

Zu Händen von Frau Lippert

Taubenstraße 42/43 in 10117 Berlin

20.8.2003

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin ,

Ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf zur Legalisierung anonymer Geburten stieß im vergangenen Jahr auf verfassungsrechtliche Bedenken.
Wie jetzt aus der Presse und dem Internet zu erfahren war, gibt es erneute Überlegungen einzelner ParlamentarierInnen dieses Thema wiederholt auf die Tagesordnung zu setzen.

Wir vom Bund Deutscher Hebammen stehen diesem Ansinnen nach wie vor kritisch gegenüber und wollen unsere Position an drei Aspekten festmachen.

1. Längst wissen alle mit der Adoption befassten ExpertInnen, dass das Wissen um die eigene Herkunft, die „Kenntnis der eigenen Abstammung“ ein elementares Menschrecht darstellt. Kinder, denen dieses Wissen vorenthalten wird, sind lebenslänglich auf der Suche nach ihren Wurzeln. Basierend auf diesem Wissen hat sich während der letzten Jahre das Adoptionsprocedere grundlegend geändert: Kinder die heute zur Adoption freigegeben werden, erfahren sehr früh, dass sie zwei Mütter haben, eine soziale und eine biologische, das meint „leibliche“. Auch für die leibliche Mutter ist es bedeutungsvoll zu wissen, wie ihr Kind lebt und dass es sich in guten Händen befindet. Das entlastet sie von der vermeintlichen Schuld, durch die Adoptionsfreigabe „versagt zu haben“.

2. Ausschlaggebend sind für uns die aufgeklärten Fälle, bei denen Frauen ihre Kinder in einer Babyklappe hinterlegt haben. In keinem einzigen dieser Fälle konnte die stets unterstellte Notlage der Mütter bestätigt werden. Vielmehr handelte es sich immer um Situationen, für die die klassische Jugendhilfe zuständig gewesen wäre. Das heißt, in allen bekannt gewordenen Fällen bestand das Hauptproblem darin, dass die Frauen nicht über das vorhandene Hilfsangebot, über Mutter-und-Kind-Einrichtungen, über sozialpädagogische Familienhilfe oder Adoptionsmöglichkeiten informiert waren.

3. Bundesweit existieren derzeit ca. 50 Babyklappen, die zwar geduldet, aber noch immer ohne gesetzliche Grundlage sind. Die Befürworter von Babyklappen argumentierten lange Zeit, dass durch die Existenz von Babyklappen weniger Neugeborene getötet oder ausgesetzt würden. Erste Untersuchungen ergaben, dass die Zahl von Tötungen und Lebendaussetzungen nicht gesunken sind. Im vergangenen Jahr wurden 20 Säuglinge getötet, beziehungsweise zum Tode ausgesetzt. In den Jahren 2001 und 2000 waren es jeweils 17. Lebend ausgesetzt wurden in den vergangenen Jahren jeweils 14 Neugeborene, im Jahre 2000 waren es 11.
„Was seit der Existenz von Babyklappen gestiegen ist, ist die Zahl der scheinbar herkunftslosen Findelkinder – 150 dürften es mittlerweile sein“, so Christine Swientek, Professorin an der Uni Hannover.

Viel stimmiger erscheint uns vom Bund Deutscher Hebammen die Idee der „vertraulichen Geburt“. Gemeint ist damit, dass einer Schwangeren auf deren Wunsch zugesichert wird, dass ihre Daten nicht an Dritte weitergegeben werden. Nur das später adoptierte Kind kann ab einem bestimmten Alter Auskunft über seine Herkunft erhalten.
Babyklappen hätten bei diesem Modell ausgedient und alle Frauen könnten ihr Kind unter professioneller Begleitung gebären.

Mit der Idee der „vertraulichen Geburt“ könnte sich ein Kompromiss zwischen den Kritikern und den Befürwortern der anonymen Geburt anbahnen: Verfassungsrechtliche Bedenken fallen bei dieser Variante weg, denn das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Herkunft bleibt gewahrt.

Wir vom Bund Deutscher Hebammen appellieren an die Politik, sich klar und deutlich gegen die Legalisierung absoluter Anonymität auszusprechen. Gleichzeitig muss jedoch die Vertraulichkeit im Hinblick auf die Daten der Mutter gewährleistet werden, wann immer eine Frau in einer Beratungssituation darum bittet. Diese Vertraulichkeit darf aber nicht für das Kind gelten – auch wenn dies nach der Geburt zur Adoption freigegebnen wird.

Magdalene Weiß

 

 

 

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