FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Erfahrungsbericht / Jahrgang 2008

 

Jugendamt blind oder einfach nur gleichgültig?

 

Also erstmal zu uns:
Wir, das sind mein Mann M., 43 Jahre,
ich E., noch 44 Jahre,
leibliche Tochter M., 14 Jahre,
Pflegetochter E., 19 Jahre,
Pflegetochter N., 15 Jahre
außerdem gehören zu unserer Familie noch zwei Hunde (ital. Dogge, Rüde, 8 Jahre, dt. Dogge, Hündin, 17 Monate) und zwei Kater.

Zu unseren Pflegekindern sind wir gekommen wie die Jungfrau zum Kind.

Und jetzt muss ich etwas weiter ausschweifen, ich selber bin ein Missbrauchs Opfer (von meinem 10. bis zum 17. Lebensjahr wurde ich von meinem Bruder missbraucht). Dummerweise haben wir aber mit meinen Eltern und meinem Bruder in einem Haus gelebt, was eigentlich auch ganz gut ging bis meine leibliche Tochter so 9 oder 10 Jahre alt war, da wurde ich immer nervöser wenn die Kleine zu meinen Eltern und meinem Bruder ging. Natürlich wurde da mein Mann auch stutzig und wollte wissen was denn auf einmal mit mir los sei und nach langem rumdrucksen hab ich meinem Schatz dann erzählt was in meiner Kindheit los war.

Danach war klar, wir müssen da weg, was wir auch 3 Monate später umsetzen konnten. Mitte 2004 sind wir dann in ein neues Haus gezogen mit vermeintlich netten Nachbarn. Die hatten eine Tochter im gleichen Alter wie unsere und noch zwei ältere Mädchen und auch Tiere, so dass in dieser Richtung kein Ärger zu erwarten war.
Einiges in der Familie kam uns von Anfang an komisch vor, die beiden jüngsten standen ständig nach der Schule vor verschlossener Tür, haben sich aber auch nicht zu uns rein getraut wenn ich sie reinholen wollte. Mit Freunden spielen, oder wie unsere Kinder das heute nennen „rumhängen“ hab ich die beiden auch nie gesehen. Es war also klar, da stimmt was nicht aber wie dahinter kommen? Dem JA melden? Keine gute Idee ohne stichhaltige Beweise. Wir haben uns dann entschlossen uns mit dieser „Familie“ anzufreunden um vielleicht mal hinter die Kulissen schauen zu können, was auch hervorragend geklappt hat.

Wir haben dann erfahren, dass die jüngste Tochter aus einem Seitensprung von dem Nachbarn war und die mittlere ihre Halbschwester und Pflegetochter war. Kurz vor Ostern 2005 habe ich dann erfahren das die mittlere der drei Mädchen schwanger ist (die älteste und leibliche Tochter der Nachbarin war mittlerweile ausgezogen und ebenfalls schwanger von einem ihrer Freunde).

Merkwürdig an der ganzen Geschichte war nur das die beiden Kleinen nie vor die Tür durften, keine Freunde einladen durften und nie Kontakt zu Gleichaltrigen hatten.
Nach einem langen Gespräch mit der Nachbarin kam dann raus das die Pflegetochter von unserem Nachbarn, ihrem Pflegevater schwanger war und das es auch nicht die erste Schwangerschaft war.

Wir haben dann kurzerhand entschlossen die beiden Mädchen samt Nachbarin, einem Hund und drei Katzen bei uns auf zu nehmen und uns so schnell wie möglich ein größeres Haus zu suchen. Natürlich bin ich schnellstmöglich mit dem damals 16 jährigen Mädchen zum Arzt und da kam der nächste Schock, sie war bereits in der 14. Woche! Was tun? Dem Mädchen die ganze Zukunft verbauen ging ja gar nicht, also blieb nichts anderes als eine Klinik in Holland zu suchen die einen Abbruch vornehmen konnte. (Und das mir, die ein absoluter Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen ist) nur hier ging es wirklich nicht anders.

So, das war also geschafft, neues Haus hatten wir auch gefunden und der Umzug im vollem Gange, als sich immer mehr zeigte das die gute Frau die ihren Mann, der seine Pflegetochter und wie wir auch noch erfahren haben auch seine älteste leibliche Tochter mehrfach missbraucht hat verlassen wollte, wohl wieder zu ihm zurück gehen würde.

Zwischenzeitlich hat ein Verwandter dieser "Familie" dieses Individuum das sich Vater nennt angezeigt. Die Sache wurde aber nicht weiter verfolgt, weil das Mädchen von ihrer damaligen Pflegemutter so unter Druck gesetzt wurde das sie gesagt hat es wäre nie etwas gewesen.

Leider waren die Mädchen zu dem Zeitpunkt erst 2 Monate bei uns und hatten auch noch nicht so richtig Vertrauen zu uns aufbauen können, wie gerne hätte ich E. gesagt das ihr nichts passieren kann wenn sie die Wahrheit sagt, aber zu der Zeit standen die Mädchen noch sehr stark unter dem Einfluss dieser Frau die sich Mutter nannte.

Nun hatten die Mädchen bei allem Unglück wohl auch Glück das diese Frau, Mutter kann man dazu ja wohl kaum sagen, ins Krankenhaus musste und ich die Möglichkeit hatte mit den Mädels lange Gespräche zu führen. Nach und nach tauten die Mädchen immer mehr auf und fassten Vertrauen zu mir.
Was da in den Gesprächen ans Licht kam kann man sich nicht vorstellen. Nicht genug damit das die Mädchen missbraucht und vergewaltigt wurden, sie wurden auch verprügelt, getreten, mussten ihr Erbrochenes essen oder bekamen Katzenfutter oder auch mal über drei Tage gar nichts zu essen.

Ich habe dann in langen Gesprächen die Mädchen darauf vorbereitet, dass ihre Pflegemutter wieder zurück gehen wird. Das die Mädels da total zusammengebrochen sind kann sich ja wohl jeder vorstellen.
Wie erwartet ist unsere ehemalige Nachbarin nach ihrem Krankenhausaufenthalt wieder zu ihrem Mann zurück gegangen, mit den Worten:"Jeder Schwerverbrecher bekommt eine zweite Chance, also auch mein Mann".
Natürlich wollte sie die Mädchen auch sofort wieder mitnehmen, was wir aber zu verhindern wussten. Wir hatten im Vorfeld mit den Mädchen gesprochen und die wollten auf jeden Fall bei uns bleiben.
Was wir außerdem noch gemacht haben war wohl nicht rechtens, aber zum Wohl der Kinder dringend notwendig. Wir haben sämtliche Unterlagen die Frau P. vom Jugendamt hatte, alle Zeugnisse und die Bestallungsurkunde beiseite geschafft und uns dann dumm gestellt………wir wussten doch nicht wo sie ihre Unterlagen aufbewahrt hat.
Ich habe dann der guten Frau gesagt, dass sie beim Jugendamt vorsprechen soll und denen sagen soll, dass die Kinder bei uns bleiben wollen. Sie meinte das würde sie auf jeden Fall tun und teilte uns dann auch wilde Geschichten mit wie es weiter gehen sollte. Nur sah es immer so aus, dass dafür die Kinder mit ihr zum Jugendamt müssten, sicher kann sich jeder vorstellen, dass ich das nie zugelassen habe.
Wir haben dann drei Tage später das Jugendamt  informiert und da sagte der zuständige Sacharbeiter mir am Telefon: „Ich habe schon immer geahnt das da was nicht stimmt, aber ich hatte keine Handhabe.“
Naja auf jeden Fall hat man uns dann zugesichert, dass d die Mädchen erstmal bei uns bleiben können.
Wir sollten ruhig alles anschaffen was nötig wäre, wir bekämen es ja ersetzt.  Zu der Zeit dachten wir noch, klasse endlich mal ein Amt das wirklich hilft.

Wie die Hilfe dann aussah zeigte sich in den nächsten Monaten.
Nach allem was die Mädchen in der ehemaligen Pflegefamilie ertragen mussten war es von Anfang an so, dass allen Beschuldigungen der ehemaligen Pflegemutter nachgegangen wurde.
Diese Frau, die sich Mutter nennt hat dem JA erzählt das wir die Kinder nur des Geldes wegen genommen haben......................... das Jugendamt hat es überprüft, indem sie uns 6 Monate nicht einen Cent bezahlt haben. Wir hatten damals etwas Geld angespart um einen Computerladen zu eröffnen, die Ersparnisse sind dann für Möbel, Kleidung und Essen und Trinken für die beiden Mädchen verbraucht worden. Gelebt haben wir damals von Harz IV, für drei Personen. Wer schon mal von Harz IV gelebt hat weis, dass es dann mit zwei Personen mehr richtig schwierig wird.
Nächste Beschuldigung........ wir können die Kinder nur ernähren weil wir keine Miete zahlen, auch da hat das Jugendamt sofort reagiert, wir mussten dem Jugendamt eine Bescheinigung vom Vermieter vorlegen, das wir regelmäßig Miete zahlen.
Dann steht unser Sacharbeiter unangemeldet vor der Tür.................er hätte gerade in der Gegend zu tun, was sehr merkwürdig ist wenn man bedenkt, dass das zuständige Jugendamt ca. 40km von unserem Wohnort entfernt ist.
Führt man sich jetzt noch vor Augen was die Mädchen in ihrer ehemaligen PF durchgemacht haben, mir der SA zu Anfang am Telefon gesagt hat das er immer schon vermutet hat das in dieser Familie was nicht stimmt, er aber keine Handhabe hatte wird es echt heftig.
Unsere Älteste, die von den 10 Jahren in dieser Familie 9 Jahre missbraucht, misshandelt und gedemütigt wurde hat eigentlich immer darauf gewartet mal ein Einzelgespräch mit dem SA führen zu können, das wurde aber von der ehemaligen Pflegemutter abgeblockt und vom SA auch nicht weiter nachgehakt.

Im Sommer 2005 hat dann unsere älteste ein Gespräch mit unserem Anwalt geführt und ihren Peiniger angezeigt. Es hat dann gedauert bis Sommer 2007 bis die Akte bei der Polizei an unserem Wohnort gelandet ist und zum Glück bei einem Beamten der die ganze Geschichte gründlich aufgerollt hat. Seit dem sitzt dieses Individuum in U-Haft, seine Frau wurde mitangeklagt.  Die Verhandlung lief bis Ende Februar und ging mit folgendem Ergebnis zu Ende: Er bekam 11Jhre und 6 Monate Haft mit anschließender Unterbringung in der Forensik. Sie darf für 3Jahre und 10 Monate in Haft.
Die Mädchen und wir waren bei jeder Verhandlung dabei, was für alle sehr anstrengend aber auch hilfreich war um die Vergangenheit zu bewältigen.
Die Mädchen haben sich trotz ihrer verkorksten Kindheit prima entwickelt, die schulischen Leistungen sind deutlich besser geworden, Alpträume sind nur noch selten und seit letzten Sommer trauen sie sich sogar alleine vor die Tür, das war vorher kaum möglich weil immer noch die Angst vor der Rache der Familie in den Köpfen der Mädchen war.

Wir sind froh und glücklich dass wir den Mädchen helfen konnten und möchten sie nicht mehr missen, es sind genau so unsere Töchter wie unser leibliches Kind.
Das ärgerliche ist eigentlich das wir vom Jugendamt keinerlei Unterstützung bekommen, ganz im Gegenteil die schmeißen uns nur Knüppel zwischen die Beine. Ein halbes Jahr haben die uns ohne jegliche Unterstützung im Regen stehen lassen, es kam keine Info wie es weiter geht, sämtliche Unterlagen mussten wir mehrfach einreichen weil das Jugendamt alles verschlampt hat und das erste Geld kam nach 8 Monaten!
Auch während der Zeit als die  Verhandlung lief kam nichts vom Jugendamt, alles was an Hilfe angeboten wird hat der Beamte in die Wege geleitet der auch die Vermittlung geführt hat.
Manchmal frag ich mich wozu das Jugendamt eigentlich da ist?
Wir fragen seit 1,5 Jahren ob wir nicht die Vormundschaft für N. bekommen können, das Jugendamt hat bisher immer nur abgeblockt, jetzt haben wir die Vormundschaft selber beim Amtsgericht beantragt.
Nachdem unsere Älteste letzten Sommer, kurz nach ihrem 18. Geburtstag die Namensänderung beantragt und auch durchbekommen hat, war klar, dass die Kleine das auch möchte. Wir also wieder Kontakt zum Jugendamt aufgenommen und den Sachverhalt geschildert und darum gebeten die Namensänderung von N. bitte in die Wege zu leiten. Das war im August 2007, bis heute ist das mit der Namensänderung nicht erledigt, eine Sache die bei unserer Großen knappe 4 Wochen gedauert hat.

Für uns stellt sich jetzt noch folgende Frage:
Besteht eine Möglichkeit das JA zu Schadensersatzansprüchen heran zu ziehen?
Beim Anwalt waren wir gestern, der hat aber arge Bedenken das die Große da Erfolg haben könnte. Man müsste dem Jugendamt eine Pflichtverletzung nachweisen. Ist es nicht schon eine Pflichtverletzung wenn mit dem Pflegekind kein Einzelgespräch geführt wird?
Wie sieht es eigentlich mit Anzeigen wegen Ladendiebstahl? Unsere Große wurde von den Individuen gezwungen zu stehlen, nicht nur Kleinigkeiten sondern teilweise die komplette Nahrung für ein WE. Dabei wurde sie zweimal erwischt, einmal im Alter von 11 Jahren und einmal im Alter von knapp 16 Jahren. Bekommt da das JA nicht eine Meldung drüber? Beim letzten mal musste Sie auch noch Sozialstunden leisten. Von sowas muss ein JA doch Kenntnis bekommen und dann auch handeln........zumindest müsste ein JA dann mal nachfragen.
Dann mussten zwei Schulklassen wiederholt werden, auch da kam keine Reaktion vom JA.
Wenn eine 16jährige bei einer Größe von 160cm nur 40kg wiegt ist die Unterernährung doch wohl offensichtlich.....oder?
Es gab also reichlich Anzeichen dafür, dass dort einiges nicht mit rechten Dingen zuging und keiner vom JA hat in irgendeiner Form reagiert.
Wir haben doch auch gemerkt das in dieser Familie was nicht stimmt, warum merken die Bürokraten in den Jugendämtern sowas nicht?
Wir würden unserer Großen jetzt gerne zur Seite stehen und das JA in die Pflicht nehmen, wissen aber nicht genau wie wir das am effektivsten anstellen können.

Elke

 

 

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