FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2007

 

 Beschluss des SPD-Parteivorstands vom 7. Januar 2007

 

Der SPD-Parteivorstand hat in seiner Klausur am 7. Januar 2007 folgenden Beschluss gefasst:

Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung: Gute Lebenschancen für alle Kinder
Das Wohl des Kindes steht im Mittelpunkt sozialdemokratischer Kinder- und Familienpolitik. Wir wollen, dass alle Kinder unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft gleiche Startchancen haben und gesund aufwachsen können. Dafür tragen in erster Linie Eltern und Familien die Verantwortung. Es gibt aber auch eine Verantwortung von Staat und Gesellschaft insgesamt, die wir stärker als bisher wahrnehmen müssen.

Alle internationalen Vergleichsstudien der letzten Jahre belegen, dass die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in keinem europäischen Land so sehr vom sozialen Status der Eltern abhängen wie in Deutschland. Damit wollen wir uns nicht abfinden. Die SPD tritt ein für ein leistungsfähiges und sozial gerechtes Bildungssystem, das Kinder früh fördert, alle ihre Begabungen unterstützt und Schwächen ausgleicht.

Familie in Deutschland hat sich verändert. Gestiegene Mobilitätserwartungen auf dem Arbeitsmarkt, Individualisierung der Lebensstile und sich auflösende soziale Bindungen treten an die Stelle von Großfamilie und nachbarschaftlichem Zusammenhalt.  Insbesondere in Städten wachsen Kinder heute zunehmend mit sprachlicher und kultureller Vielfalt auf. Die sozialen Rahmenbedingungen von Familien entwickeln sich auseinander.  Und auch die wachsende Zahl von Trennungen und Scheidungen bringt zahlreiche emotionale und wirtschaftliche Risiken für Eltern und Kinder mit sich.

Die allermeisten Eltern nehmen die Verantwortung für ihre Kinder sehr ernst und wollen das Beste für ihre Zukunft.  Aber alle, die mit Kindern und Jugendlichen beruflich zu tun haben, berichten auch zunehmend von Eltern, die verunsichert sind und sich von ihrem Erziehungsauftrag überfordert fühlen. Im schlimmsten Falle führt dies zu Kindesvernachlässigung und -misshandlung. Hier stehen Staat und Gesellschaft in der Verantwortung.

Wir treten ein für ein neues Verhältnis von öffentlicher und privater Verantwortung für Kinder. Dabei stehen für uns drei Handlungsfelder im Mittelpunkt:

  • Individuelle Förderung von Anfang an,
  • Hilfe und Unterstützung für Eltern,
  • Mehr Schutz für gefährdete Kinder.

Individuelle Förderung von Anfang an
Der Schlüssel für eine erfolgreiche Bildungsbiographie und für echte Chancengleichheit liegt in der frühkindlichen Bildung. Wir wollen die Investitionen in Bildung und Betreuung spürbar erhöhen. Das muss aus unserer Sicht Vorrang vor weiteren direkten Leistungen an Familien haben.

Es muss früher damit begonnen werden, die Begabungen unserer Kinder gezielt zu fördern und die Schwächen auszugleichen. Die Kindertagesstätten haben einen wichtigen Bildungsauftrag, den wir weiter stärken wollen. Gerade in den ersten Jahren gilt es, die Lernlust bei den Kleinen zu entfachen und sie spielerisch an das Lernen heranzuführen. Die Zeit in den Kindertagesstätten muss für eine intensive Sprachförderung der Kinder genutzt werden. Mögliche Defizite müssen durch eine Sprachstandsfeststellung aufgedeckt werden, damit bei Bedarf noch gefördert werden kann.

Gleichzeitig ist der bedarfsgerechte Ausbau von ganztägigen Betreuungsangeboten ein zentrales Ziel, um die Familien in unserem Land zu unterstützen. Junge Frauen und Männer wollen und sollen sich nicht mehr entscheiden müssen zwischen Beruf und Familie. Sie brauchen eine gute Betreuungs-Infrastruktur vor Ort und die Gewissheit, dass ihre Kinder eine anregende, liebevolle Betreuung erfahren, während sie ihrer Berufstätigkeit nachgehen.

In vielen Bundesländern wurden beim Aufbau der Infrastruktur für Kindertagesstätten bereits gute Fortschritte erzielt. Doch insbesondere beim Angebot für Kinder unter drei Jahren gibt es noch großen Nachholbedarf. Deshalb fördert der Bund den Aufbau eines flächendeckenden Ganztagsangebots der bis zu 3-Jährigen mit jährlich 1,5 Mrd. Euro durch das Tagesbetreuungsausbaugesetz. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: Kinder brauchen frühe Förderung - Eltern  brauchen verlässliche Betreuungsangebote.

Beginnend mit dem letzten Kita-Jahr wollen wir schrittweise die gesamte Kita-Zeit beitragsfrei stellen.

Es ist unser Ziel, dass es ab 2010 einen Rechtsanspruch auf  ganztägige Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsangebote  für Kinder vom vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt gibt. Dieses Angebot muss von den Kommunen bereit gestellt werden - bei der Finanzierung muss aber auch die Bundesebene finanzielle Unterstützung leisten. Die Länder und Kommunen sollten dafür dauerhaft vom Bund finanzielle Unterstützung erhalten - beispielsweise über eigene Anteile an der Umsatz- oder der Einkommenssteuer. Die Sicherstellung der Finanzierung durch den Bund könnte möglich sein, wenn

  • eine mögliche zukünftige Erhöhung des Kindergeldes in den Ausbau der Infrastruktur zur frühen Förderung von Kindern investiert wird,
  • die finanziellen Mittel, die durch geringere Kinderzahlen ab 2010 frei werden, nicht eingespart, sondern in den Ausbau der Infrastruktur umgeleitet werden,
  • Umschichtungen aus dem Bereich der finanziellen Transfers und Reduzierungen von Steuervorteilen vorgenommen werden.

Die Arbeitsgruppe "Neue Akzente in der Familienpolitik" unter Leitung von Bärbel Dieckmann und Nicolette Kressl wird dazu im Februar konkrete Vorschläge vorlegen.

Auch in unseren Schulen gilt es, den direkten Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer und ethnischer Herkunft aufzubrechen. Ein wichtiger Schritt ist der flächendeckende Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen. Sie bilden die Grundlage für notwendige Reformen im Bildungswesen, denn sie schaffen Zeit und Raum für die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen. Unser 4-Milliarden-Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" hat in ganz Deutschland einen wichtigen bildungspolitischen Reformschub in Gang gesetzt. Diesen Schwung wollen wir weiter nutzen.

Hilfe und Unterstützung für Eltern
Eltern brauchen gerade in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder mehr Unterstützung. Was Mütter und Väter in dieser frühen Phase versäumen, kann später nur schwer ausgeglichen werden. Beide Elternteile haben das Recht, aber auch die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder. Damit wollen wir sie nicht allein lassen.
Wir wollen junge Eltern in ihrer neuen Lebenssituation unterstützen, ihnen Informationen und, wenn nötig, Hilfe zukommen lassen. Wir begrüßen daher kommunale Hilfestrukturen wie die "Elternbriefe" in Bremen, die Netzwerke "Gesunde Kinder" nach finnischem Vorbild in Brandenburg oder das Dormagener Modell der Begrüßungsbesuche, wo die Ankunft eines Kindes  professionell und/oder ehrenamtlich begleitet wird.
Gezielte Unterstützung des Erziehungsauftrags heißt für uns auch, die Eltern enger in die Arbeit der Kindergärten mit einzubeziehen. Einen guten Ansatz bietet die Weiterentwicklung von Kindertagesstätten zu so genannten Eltern-Kind-Zentren. Sie bieten Betreuung, Bildung, Beratung und Anleitung in Erziehungsfragen, wohnortnah, unter einem Dach und erreichen somit auch jene Eltern in ihrem Alltag, die sich bei Bedarf Hilfe bei den Erziehungsberatungsstellen, den Jugendämtern oder anderen Beratungsdiensten nicht aktiv suchen würden. Hier muss auch eine aktive Gesundheitsförderung und -erziehung von Kindern und Eltern insbesondere bezüglich Ernährung, Bewegung und der Vermeidung besonderer Erkrankungsrisiken platziert werden.

Mehr Schutz für gefährdete Kinder
Ein wirksamer Schutz von Kindern muss notfalls auch gegen die eigenen Eltern durchgesetzt werden. Das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit hat dann Vorrang gegenüber dem Elternrecht.

Für Kinder, die in ihren Familien keine ausreichende Unterstützung bekommen oder sogar Gewalt erfahren, hat der Staat - mit seinem im Grundgesetz festgelegten Wächteramt - eine besondere Verantwortung. Um die Rechte der Kinder zu stärken, wollen wir, dass sie ebenfalls ausdrücklich in der Verfassung verankert werden. Das Elternrecht findet seine Grenzen, wo das Kindesrecht verletzt wird.

Große Bedeutung bei der Erkennung von Risikofamilien kommt Hebammen, Krankenschwestern und Ärztinnen und Ärzten zu. Sie gilt es, bei ihrer Aufgabe zu unterstützen. Oft gibt es bereits in der Schwangerschaft und kurz danach Anzeichen für mögliche Risiken. Sie müssen frühzeitig erkannt werden, damit schnell und wirksam Hilfe bereitgestellt werden kann, die es den Eltern ermöglicht, eine liebevolle, stabile und förderliche Beziehung zu ihrem Kind zu entwickeln.

Jedes Kind hat das Recht auf gesundes Aufwachsen. Die Grundlagen für seine weitere Entwicklung werden in den ersten Lebensjahren gelegt. Deshalb benötigen Kinder von Beginn an eine umfassende gesundheitliche Versorgung und Vorsorge.

Von den kostenfreien Vorsorgeangeboten von der Geburt bis zur Einschulung macht bereits jetzt die weit überwiegende Zahl der Eltern Gebrauch. Mit Hilfe dieser Untersuchungen können Entwicklungsverzögerungen und gesundheitliche Störungen bei Kindern frühzeitig entdeckt und ausgeglichen werden. Allerdings sinken die Teilnahmezahlen mit dem Alter der Kinder und insbesondere bei sozial benachteiligten Familien. Meist ist Nachlässigkeit oder Nichtwissen bei den Eltern der Grund. Im Einzelfall kann die Nicht-Teilnahme jedoch auch ein Anzeichen für Vernachlässigung oder gar Misshandlung sein.

Wir wollen daher, dass alle Kinder - unabhängig von ihrem Krankenversicherungsstatus - an den Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Dies kann - neben Schularztbesuchen, die später alle schulpflichtigen Kinder erreichen, - ein wichtiger Baustein innerhalb eines umfassenden Schutzkonzepts für Kinder sein. Um anstelle der bisher freiwilligen Teilnahme eine Verbindlichkeit der Untersuchungen zu erreichen, sollte ein flächendeckendes System aus Einladeverfahren und aufsuchender Arbeit, beispielsweise durch den öffentlichen Gesundheitsdienst, geschaffen werden. Darüber hinaus müssen die Qualität und zeitliche Abfolge der Vorsorgeuntersuchungen überprüft und der Datentransfer zwischen Gesundheits-, Jugend- und Sozialämtern verbessert werden.

Ein weiteres Mittel zum Schutz von gefährdeten Kindern ist die Einschaltung der Familiengerichte. Die Möglichkeiten der Familiengerichte, Eltern Auflagen bei der Erziehung der Kinder zu machen, müssen erweitert werden. Sie sollen nicht erst dann eingeschaltet werden, wenn im Grunde nur noch die Entziehung des Sorgerechts in Frage kommt. Mit den Ergebnissen der Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern, die das Bundesministerium der Justiz vorgelegt hat, wollen wir die Eingriffsschwelle für das Familiengericht niedriger legen: Zum Beispiel soll das Familiengericht die Auflage machen können, dass ein Kind in den Kindergarten geschickt wird oder die Eltern an einen Anti-Gewalt-Training teilnehmen.

Durch eine Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 2005 haben wir bereits die Rechte der Jugendämter gestärkt und dafür gesorgt, dass diese bei unmittelbar drohender Gefahr ein Kind auch ohne gerichtliche Entscheidung außerhalb seiner Familie unterbringen können.

Eine erfolgreiche Kinder- und Familienpolitik ist der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes - sowohl aus sozialer als auch aus wirtschaftlicher Sicht. Wir wollen eine Gesellschaft, in der sich Frauen und Männer für ein Leben mit Kindern entscheiden können. Wir wollen sie dabei unterstützen mit dem Ziel, allen Kindern gute Lebenschancen zu eröffnen.

Unsere wesentlichen Maßnahmen zusammengefasst:

  • Alle Kinder erhalten ab 2010 vom vollendeten ersten Lebensjahr an einen Rechtsanspruch auf Ganztags-Betreuung.
  • Beginnend mit dem letzten Kita-Jahr wird schrittweise die gesamte Kita-Zeit für die Eltern beitragsfrei.
  • Die Rechte von Kindern werden in der Verfassung verankert.
  • Die Vorsorgeuntersuchungen werden für alle Kinder verbindlich.
  • Die Handlungsmöglichkeiten von Familiengerichten zum Schutz von Kindern werden verbessert.

07.01.2007, Nummer: 008/07

 

 

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