FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2007

 

Gemeinsame Stellungnahme von

Bundesarbeitsgemeinschaft für Kinder in Adoptiv–und Pflegefamilien (BAG KiAP) e.V.
PFAD Bundesverband der Pflege – und Adoptivfamilien  e.V.
Pflegeelternschule Baden-Württemberg e.V.

zum Referentenentwurf

Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen
bei Gefährdung des Kindeswohls - Juni 2007

 

Wir  begrüßen den Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und sehen darin einen Schritt  in die richtige Richtung.

Die Neuformulierung des § 1666 BGB hat den Blick auf die Schutzfunktionen gegenüber dem Kind verdeutlicht und auch die Abänderung des § 1696 Abs. 3, wonach das Familiengericht seine Entscheidung in einem angemessenen Zeitabstand überprüfen muss, sehen wir als einen Fortschritt an. Das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in § 50 e FGG wird von uns ebenfalls als eine wichtige Verbesserung gewertet.

Wir halten auch die Bildung von örtlichen Arbeitskreisen der Jugendhilfeträger und der Familienrichter für eine wichtige Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses. Hier sehen wir als Vertreter der Kinder, die in Pflegefamilien leben, die Notwendigkeit, dass auch Vertreter der Pflegeelternverbände auf örtlicher Ebene an diesen Arbeitskreisen beteiligt  werden. Pflegekinder sind Kinder, deren Wohl - auch, wenn sie freiwillig untergebracht wurden -  gemäß § 27 SGB VIII gefährdet war und die deshalb nicht bei ihren Eltern leben  können. So kann für alle Beteiligten der Kontakt auch zur aktuellen Realität der Kinder, die gefährdet sind, hergestellt werden.

Als Nachteil sehen wir, dass die Verpflichtung zur Fortbildung der Familien- und Vormundschaftsrichter und der Mitarbeiter der Jugendhilfeträger nicht bundeseinheitlich geregelt werden kann.

Kritisch ist auch § 50 f zu sehen. Grundsätzlich ist es richtig dass mit den Eltern zu erörtern ist, dass sie bei der Gefährdung des Kindeswohls öffentliche Hilfen annehmen. Es ist auch richtig, dass bei Nichtannahme der notwendigen Hilfen familiengerichtliche Schritte notwendig sind. Wie ist es jedoch z. B. bei alkoholkranken oder drogenabhängigen Eltern sowie bei Eltern mit anderen schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigungen zu sehen? Diese Eltern  wollen häufig Hilfe annehmen, können es jedoch nicht.

Hilfen bei Belassung des Kindes in der Familie  begründen in solchen Fällen gerade die Kindeswohlgefährdung. Schwerste Kindeswohlgefährdungen sind nachweisbar, wenn z.B. die Eltern mit einer Tageseinrichtung einverstanden sind , eine sozialpädagogische Familienhilfe annehmen oder in eine Mutter-Kind-Einrichtung gehen, jedoch die Grundproblematik der Eltern dadurch nicht verändert werden kann und in diesen Situationen Kinder misshandelt, vernachlässigt und sexuell ausgebeutet werden.

In erschreckend großer Zahl können dazu  Beispiele von Kindern, die nun in Pflegefamilien leben, aufgeführt werden – darunter dramatische Einzelschicksale und Fälle mit traurigen Konsequenzen für die gesamte weitere Entwicklung dieser Kinder. Öffentliche Hilfen müssen nicht nur angenommen werden, sie müssen auch in der Realität dem Kind den notwendigen Schutz gewähren können.

Der kindliche Zeitbegriff ist in § 50 e FGG in einer guten Weise eingeführt. Leider bezieht sich dies lediglich auf Kinder, die noch in ihrer Herkunftsfamilie leben, in der Regel auf Kinder, deren Eltern in Trennung leben.

Kinder, die wegen Kindeswohlgefährdung entweder aufgrund einer Sorgerechts-Einschränkung oder aufgrund einer freiwilligen Zustimmung über die Annahme von Hilfen in § 27 SGB VIII von den Eltern getrennt werden mussten, sind leider nicht im Blick. Es wird immer noch unterstellt, dass bei „freiwilligen“ Maßnahmen keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Eine Trennung von den Eltern erfolgt aber in fast keinem Fall wegen einer äußeren Notlage. Die kann mit anderen Mitteln behoben werden. Bei akuten Krisen ist eine Kurzzeitpflege angesagt.

Lebt jedoch das Kind längere Zeit in einer Vollzeitpflege und hat es die Pflegeeltern aufgrund des biologisch festgelegten kindlichen Bindungsbedürfnisses zu seinen Eltern gemacht, so verändert sich die Situation. Wenn dieses vorgeschädigte Kind , falls die Eltern die angebotene Hilfe annehmen, wieder das Trauma der Trennung von allem, was ihm lieb und existenziell wichtig geworden ist, hinnehmen muss, so ist eine Kindeswohlgefährdung  in hohem Maße gegeben. Wir, als Vertreter der Pflegeelternverbände, können viele  Kinderschicksale belegen, bei denen vorschnelle Entscheidungen der Jugendhilfeträger und der Gerichte für Schäden verantwortlich sind, die zu nachhaltigen und lebenslang wirksamen Beeinträchtigungen der seelischen und  körperlichen Gesundheit dieser Menschen geführt haben.

Tatsache ist, dass Eltern geholfen werden kann mit ambulanten Mitteln, dass  dies jedoch Grenzen in der Persönlichkeit und der Lebensgeschichte dieser Eltern hat. Das Problem ist, dass vielen dieser Eltern selbst in ihrer Lebensgeschichte Übles widerfahren ist und sie somit nicht in der Lage sind, die Pflege und Erziehung der Kinder sicherzustellen.

Das Ziel ist es, positive Lebensbedingungen für ein gesundes Aufwachsen des Kindes zu schaffen (BVerfGE 24,119, (144/ 145). Das Gefährdungsrisiko muss auch daraufhin in die verantwortliche Entscheidung einbezogen werden, dass Trennungen von den Menschen, die die Welt dieses Kindes geworden sind, in der vollen Tragweite gewürdigt und gewichtet werden.

Die auf Seite 12 der ‚Erläuterungen zum  Regierungsentwurfes zu diesem Gesetz trifft unser Anliegen: „Da das Wohl des Kindes den Richtpunkt für den Auftrag des Staates gemäß Art. 6 Abs. 2 GG (BVerfGE  24, 119,144) bildet, muss die Gefährdung des Kindes der entscheidende Anknüpfungspunkt für das Eingreifen staatlicher Schutzmaßnahmen sein. Das Auftreten einer Schutzlücke wäre mit dem Grundschutz des Kindes als eigenständiger Persönlichkeit nicht vereinbar“.

Unser Anliegen ist, dass die Kindeswohlgefährdung bei Rückführungen aus der Vollzeitpflege und das kindliche Zeitempfinden in die richtige Gewichtung kommt. Wir sehen die Berücksichtigung dieses Anliegens  in diesem Gesetzentwurf als möglich an und würden  es sehr begrüßen, wenn wir in die Diskussion über diesen wichtigen Aspekt der Kindeswohlgefährdung mit dem Bundesministerium der Justiz eintreten könnten.

Falls dies in dieser Gesetzesänderung nicht  beachtet werden kann, sehen wir ein vordringliches Interesse im Sinne des Kinderschutzes, dieses Thema in einem weiteren Schritt gründlich zu erörtern und als Vertretungen der Pflege- und Adoptivfamilien mit dem Justizministerium darüber in Diskussion zu kommen.

weitere Informationen:
http://www.kiap.de/web/436

 

 

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