FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2007

 


Sylvia Greiffenhagen und Oliver Buck-Werner

Tiere als Therapie
Neue Wege in Erziehung und Heilung

Kynos-Verlag 2007
(332 Seiten, 21 Euro)

Autoren:
Dr. Sylvia Greiffenhagen
hat Sozialwissenschaften und Psychologie studiert und ist heute Professorin an der Evangelischen Fachhochschule Nürnberg Fachbereich Sozialwesen. Dem Forschungsfeld Mensch-Tier-Beziehung ist sie seit vielen Jahren verbunden. Die Erstausgabe ihres Buches »Tiere als Therapie« hat das Thema im deutschen Sprachraum nachhaltig gefördert.
Oliver N. Buck-Werner hat Veterinärmedizin in Gießen und Bern studiert. Seit 1995 arbeitet er gemeinsam mit Sylvia Greiffenhagen zum Thema Behindertenbegleithunde. Seit 2000 ist er als praktizierender Tierarzt in Bochum tätig. Am Institut für soziales Lernen mit Tieren in Wedemark bei Hannover referiert er mit dem Schwerpunkt 'Euthanasie und Trauerarbeit'.

Programm:
Das Anliegen ihres Buches beschreiben die Autoren ausführlich in ihrem Vorwort und noch einmal kurz im ersten Hauptkapitel:
»Obgleich es in unserem Lande allmählich voranging mit dem praktischen Einsatz von Tieren als Helfern und Heilern, obgleich die wissenschaftliche Erforschung und Betreuung solcher Programme langsam in Gang kam, hinkte die Bundesrepublik Deutschland der Entwicklung in vielen anderen Staaten lange hinterher. Tiere in Altenheimen, Krankenhäusern, psychiatrischen Kliniken und Strafvollzugsanstalten erschienen vielen Deutschen als ein Ding der Unmöglichkeit. Erst seit wenigen Jahren gibt es Organisationen, die den Einsatz von Tieren in Institutionen empfehlen und interessierte Menschen und Gruppen über Konzepte, Methoden und geeignete Tiere informieren und beraten, so zum Beispiel die Vereine 'Leben mit Tieren' und 'Tiere helfen Menschen'.
     Unser Buch will von solchen Aktivitäten im In- und Ausland berichten. Gleichzeitig möchten wir Einblicke in den wissenschaftlichen Stand der Forschung geben. Es handelt sich hier um einen Wissenschaftszweig, der in rascher Entwicklung begriffen ist. Tiergestützte Pädagogiken, (Re-)Sozialisationen und Therapien sind sämtlich interdisziplinär angesetzt und darin das jüngste Beispiel moderner Forschung, die den Zaun der eigenen Disziplin übersteigen muss, um nicht durch Einseitigkeit zu Fehlergebnissen zu gelangen.« (S. 15)

Hauptüberschriften des Inhaltsverzeichnisses:
Vorwort und Einführung
Leben mit Tieren
Freude mit Tieren
Großwerden mit Tieren
Altwerden mit Tieren
Behinderungen ertragen mit Tieren
Gesundwerden mit Tieren
In die Gesellschaft zurückfinden mit Tieren
Hygiene und andere Bedenken
Dem Tierschutzgedanken Rechnung tragen
Der Weg zum Behindertenbegleithund
Der neue Tierarzt
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Über die Autoren

Textproben:
Die folgenden Textproben zeigen die dem Thema angemessene methodologische Offenheit der Autoren, die von anekdotischen Berichten über systematische Kasuistik bis zu anspruchsvollen empirischen Untersuchungen reicht.
     Aus einem den Autoren zur Verfügung gestellten Bericht von Bürker:
»Schnell stellten wir fest, dass Sam (der Hund der Erzieher) eine zentrale Integrationsfigur im Zusammenleben mit der familienanalogen Wohngruppe mit sechs Kindern geworden war - für die Kinder mit stark problembehafteter Lebensgeschichte und Verhaltensauffälligkeiten. Mit seiner Größe, seinem weichen kuscheligen Fell, seiner Geduld und Liebenswürdigkeit, aber auch seiner Robustheit und Souveränität war er der ideale Ko-Pädagoge geworden. Er war der Tröster, der 'Kuschel-Bär', der Spielgefährte und der Mitbewohner, der die Kinder emotional forderte und ansprach, aber keine verhaltens- und lerntherapeutischen Schubladen öffnete und sie irgendwie negativ bewerten konnte. Sam öffnete den Kindern die Augen und vermittelte ihnen die praktische Erkenntnis, dass Tiere ebenfalls Lebewesen sind, die ein Recht auf ein würdiges Leben haben.
     Der kleine Ronny, ein dominanter Rüde, trat nicht so geduldig und gütig gegenüber den Mitbewohnern und seinem Freund Sam auf; er forderte ständig Respekt, Abstand und Achtung ein und alle mussten sich Mühe geben, um seine Gunst und Zuneigung zu erlangen. Mit diesen beiden unterschiedlichen 'Hundepersönlichkeiten' wurden die Kinder sehr gefordert, sich mehr oder weniger sensibel auf die respekteinflößenden Tiere einzustellen und allmählich intensive Beziehungen zu ihnen aufzubauen.« (S. 194/195)

Aus der Praxis und Forschung der Internats- und Tagesschule Green Chimneys im Staat New York:
»Das wohl berühmteste Beispiel für tiergestützte Pädagogik und Therapie auf dem Feld der Erziehungshilfe ist Green Chirnneys, eine Farm im Staat New York, die ihren Namen ihren grün angestrichenen Kaminen verdankt. …. Andrea Beetz, eine Psychologin, die sich seit Jahren wissenschaftlich mit der Beziehung von Menschen und Tieren befasst, hat das theoretische Konzept und die praktische Arbeit der Farm als "Vorbild für tiergestützte Therapie mit Kindern und Jugendlichen" beschrieben. Green Chimneys bietet Kindern Unterstützung und Hilfe, die mit Lebensgeschichten in die Einrichtung kommen, "die durch Vernachlässigung, sexuellen, physischen und emotionalen Missbrauch als Opfer, oder aber auch als Täter geprägt sind. Einige kommen aus Familien mit Alkohol- und Drogenmissbrauch, andere haben besondere medizinische Probleme, und viele waren schon zuvor einmal in stationärer Behandlung. …."
     Ein großes Team von Fachleuten verschiedener Disziplinen und Professionen hat eine Kombination unterschiedlichster therapeutischer und pädagogischer Ansätze erarbeitet, die den etwa 100 Kindern und Jugendlichen in Green Chirnneys dabei helfen sollen, ihr Leben in den Griff zu bekommen: Gespräche, Ausbildung, praktische Arbeit in der farmeigenen Gärtnerei und Landwirtschaft, Heiltherapeutisches Reiten oder Sport. Dabei hat sich gezeigt, dass "die Verfügbarkeit von Tieren besonders effektiv war, wenn es galt, Kinder mit sozialen, emotionalen und schulischen Problemen zu erreichen." Ein wesentliches Element von Green Chimneys ist das Wildtier-Projekt: Verletzte Wildtiere werden von den Kindern gepflegt. Bedenkt man die Lebensgeschichte der Kinder mit ihren vielfältigen Verletzungen, Zwängen und Scheiterns-Erfahrungen, so klingt der folgende Satz sehr plausibel: "Ein besonderes und bewegendes Erlebnis ist es, wenn ein Kind, das Green Chimneys verlässt, als Symbol eines der geheilten Wildtiere wieder in die Freiheit entlassen darf."
     Green Chirnneys ist eines der wenigen Projekte im Bereich der Erziehungshilfen mit Tieren, das wissenschaftlich gut dokumentiert und evaluiert ist. Schon aus diesem Grund ist der Stellenwert von Green Chirnneys in der Reihe vergleichbarer Projekte sehr hoch anzusetzen. ….
     Unseres Wissens gibt es zum Thema 'In die Gesellschaft zurückfinden' – mit Ausnahme von Green Chimneys - noch keine empirischen Studien mit größerer Stichprobe. Umso größeres Interesse dürften die (im Jahr 2008 zu erwartenden) Ergebnisse einer Dissertation an der Universität Köln finden, die am Beispiel des Martinswerks Dorlar, Nordrhein-Westfalen, untersucht, ob und wie weit schwerst verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche durch Tiere resozialisiert werden können. Die Autorin, Heil- und Sozialpädagogin Kristina Skarke, vermutet, "dass die Faktoren Empathie, Bindung und Selbstwert einen entscheidenden Einfluss auf die sozialen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen haben und diese durch den Tierkontakt maßgeblich beeinflusst werden", und will diese Hypothese anhand des umfangreichen Datenmaterials der Jugendhilfeeinrichtung überprüfen ….   
     Vorläufig bleibt es aber dabei: Über die resozialisierenden Effekte durch Tiere in Jugendhilfeeinrichtungen liegen kaum wissenschaftliche Untersuchungen vor. Das ist zwar einerseits bedauerlich, andererseits aber nicht tragisch: Die Erfolge, die uns aus Erzählungen, Briefen und Falldokumentationen bekannt sind, sprechen für sich. ….  
     Tiere finden sich heute nicht nur im stationären Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, sondern ebenso auch in Tagespflege-Einrichtungen (Institutionen, in denen sich die Kinder nur tagsüber aufhalten), in Schulen für schwierige Kinder oder in Form von Besuchen mit Tieren in entsprechenden Einrichtungen. Überall zeigt sich derselbe Effekt: Die Tiere tun den Kindern gut und helfen den menschlichen Betreuern bei ihrer Arbeit.« (S. 192 – 194)

In den übrigen Kapiteln werden zahlreiche weitere Beobachtungen und empirische Befunde mit überzeugenden theoretischen Reflexionen geboten.

Bilanzierende Bewertung:
Es gibt kein anderes deutschsprachiges Werk, das ähnlich engagiert, sachkundig und glaubwürdig über die pädagogische und therapeutische Wirksamkeit der tierischen Assistenten berichtet wie das vorliegende von Greiffenhagen und Buck-Werner. Aus unseren Erfahrungen in der Arbeit mit schwer traumatisierten Pflegekindern können wir die Bedeutung tiergestützter Heilpädagogik voll bestätigen. Wir wünschen diesem verdienstvollen Buch weite Verbreitung nicht nur in der Praxis, sondern erst recht in den Hochschulen, damit endlich die Forschung stattfindet, die dieses Thema verdient.

Kurt Eberhard  (Dez. 2007)

 

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