FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2003

 

Eva Jaeggi, Günter Gödde, Wolfgang Hegener, Heidi Möller, Hilde Kronberg-Gödde

Tiefenpsychologie lehren - Tiefenpsychologie lernen

Klett-Cotta, Stuttgart 2003
(317 Seiten, 27,50 Euro)

 

Die Autoren arbeiten gemeinsam in der Berliner Akademie für Psychotherapie (BAP), die enge Kooperationsbeziehungen zu den drei Berliner Universitäten unterhält. Prof. Dr. Eva Jaeggi ist Verhaltenstherapeutin und Psychoanalytikerin, Dr. Günter Gödde Jurist und Psychologischer Psychotherapeut, Dr. Wolfgang Hegener Tiefenpsychologe und Psychoanalytiker, Prof. Dr. Heidi Möller Hochschullehrerin für Kommunikationspsychologie und Psychotherapie, Dr. Hilde Kronberg-Gödde Soziologin und Psychologische Psychotherapeutin. Zusammen mit anderen hochqualifizierten Mitarbeitern haben sie in kurzer Zeit eine Ausbildungsstätte aufgebaut, wie wir sie in unserer Studentenzeit vergeblich gefordert hatten. Endlich wurden die anachronistischen Mauern zwischen Klinischer Psychologie an wissenschaftlichen Hochschulen und Psychotherapie an privaten Instituten abgeräumt, gleichzeitig die ebenso widersinnigen Abgrenzungen zwischen den konkurrierenden wissenschaftlichen Therapierichtungen aufgegeben und schließlich auch die Theorie-Praxis-Kluft dadurch überwunden, daß der Bund Deutscher Psychologen dieses Institut organisatorisch trägt. Die BAP kann ohne Übertreibung als ein historischer Meilenstein in der Geschichte der deutschen Psychotherapie bezeichnet werden.

Auf dem Klappentext wird das Buch als “das erste didaktische Werk für die psycho-dynamische Ausbildung“ angekündigt. Das Inhaltsverzeichnis zeigt, daß es viel mehr ist:

Vorwort

Zur Einführung

Ausbildung in Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie – Konzepte und Hintergründe

Didaktische Überlegungen zur Ausbildung Psychologischer PsychotherapeutInnen der Fachrichtung Tiefenpsychologie

Ausgewählte Seminare - Strategien didaktischer Vermittlung

Theoretische Grundlagen der Tiefenpsychologie

Die Grundlegung einer Klinischen Psychologie des Unbewußten durch Freud

Einführung in Freuds >Traumdeutung< und in die Metapsychologie des Unbewußten

Triebtheorie aus heutiger Sicht

Strukturmodelle und Narzißmustheorie

Objektbeziehungstheorie

Grundzüge der Neurosenlehre

Allgemeine Neurosenlehre

Zur Entwicklung der Psychosexualität und Geschlechtsidentität.

Konfliktorientierte Neurosenmodelle: Zur Konfliktdynamik in der Tiefenpsychologie

Defizitorientierte Neurosenmodelle: Zum Strukturbegriff und zur Strukturdiagnostik in der Tiefenpsychologie

Klinik psychischer Störungen

Angst und Phobien

Depressive Störungen

Hysterie und konversionsneurotische Störungen

Zwangsneurose

Psychotraumatologie und Selbstverletzendes Verhalten

Neurotische Persönlichkeitsstörungen

Umgang mit Krisen und Suizidalität

Abhängigkeiten und Süchte

Eßstörungen

Sexualität und sexuelle Störungen

Psychologische Probleme in der Geriatrie

Behandlungstheorie und -technik.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als eigenständige Therapieform

Wichtige Aspekte der Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamik

Störungsspezifische Modifikationen der Einzelpsychotherapie

Psychotherapieforschung und Evaluation

Fallseminar

Übergreifende Perspektiven

Kulturtheorie I -Einführung in die Analyse des »kulturellen Unbewußten«

Kulturtheorie II - Die psychosozialen Funktionen von Kriegen und Massenbewegungen

Tiefenpsychologie und Literatur I - Literarische Sozialisation und Literaturanalyse

Tiefenpsychologie und Literatur II - Wege psychoanalytischer Literaturdeutung.

Zur Geschichte der Psychoanalyse im Nationalsozialismus

Bibliographie

Einige Zitate aus dem Vorwort kennzeichnen die Entschlossenheit der Autoren, inhaltlich und didaktisch gänzlich neue Wege zu gehen:
“Unsere Arbeitsgruppe (die aus etwa 15 KollegInnen der BAP besteht) hat sich daher in langen Diskussionen immer wieder bemüht, neue didaktische Formen zu finden. Da wir es mit der Ausbildung zur/m Psychotherapeutin/en mit einer Ausbildung zu tun haben, die auch in jedem Theoriebestandteil persönliches Erleben betrifft, sollte dieser selbstanalytische Aspekt auch didaktisch berücksichtigt werden. Wir haben daher versucht, jedes Thema so aufzubereiten, daß Selbsterleben, biographische Erinnerungen und darüber hinaus die Identifikation mit dem Gebotenen möglich sind. Dies bedeutet, daß jeder Lehrinhalt neue Methoden der Darstellung erfordert, die dem jeweiligen Thema adäquat sind. Das zentrale Anliegen des Buches ist also ein didaktisches.
Allerdings ist das nicht alles. Wir wollen auch theoretische Inhalte der Ausbildung zur Diskussion stellen - nämlich diejenigen, die unserer Meinung nach in manchen Instituten bisher zu kurz gekommen sind. Es sind dies einerseits kulturtheoretische Themen (wiederum mit besonderer Didaktik ausgerichtet), andererseits aber auch technische Überlegungen zu demjenigen Verfahren, das in Deutschland Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie heißt und in den meisten anderen Ländern als Psychodynamische Therapie bezeichnet wird. Dazu kommen noch - vom Gesetz vorgeschrieben, aber durchaus im Sinn unserer eigenen Überlegungen - Bestandteile anderer Therapieverfahren, die geeignet scheinen, das technisch-methodische Inventar gerade der tiefenpsychologisch arbeitenden KollegInnen zu verbessern. Daß hier nicht irgendein willkürliches Methodenmischmasch entsteht, dafür müssen eben eine stringente theoretische und praktische Ausbildung sowie die Lehrtherapie sorgen. ....
Der im Gesetz intendierte weitere Blick, den alle PsychotherapeutInnen haben sollten, ist besonders wichtig für KollegInnen, die auf psychoanalytischer Basis arbeiten. Die Psychoanalyse, die dem Zeitgeist immer widerstehen und »unzeitgemäß« bleiben muß, sollte sich dennoch aus dem Korsett sektenhafter Abschottung befreien. Gerade an dem Ort, wo die Befreiung des Menschen im Sinne der Aufklärung theoretisch gedacht und auch praktisch anvisiert worden ist, ist durch vorschnelle Festlegungen, festgefahrene Hierarchien und arrogante Abgrenzungen viel Porzellan zerschlagen worden. Bei manchen Fachgesellschaften oder Instituten kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, es handle sich um eine Art Herrenreiter-Club. Wir bemühen uns, aus alten Fehlern, die sich durch die Geschichte der Psychoanalyse hindurchziehen, zu lernen.“

Wer von diesem unorthodoxen, sehr an Methodenintegration interessierten Institut einen Abschied von den psychoanalytischen Fundamenten erwartet, wird enttäuscht. Mit geradezu scholastischem Ernst werden die klassischen Texte gründlich studiert, aber eben in didaktischen Formen, die die geistigen und seelischen Reaktionen der Seminaristen nicht ausklammern, sondern systematisch nutzen. Dadurch wird die dreifache Tiefe der Psychologie Freuds bewahrt: der Blick ins Unbewußte, in die Geschichte der frühen Kindheit und weiter zurück in die Kulturgeschichte, ferner ihre universalistische Zusammenführung von Natur- und Geisteswissenschaften sowie auch die intensive Nutzung künstlerischer Intuitionen. Der kulturtheoretischen Relevanz des Freudschen Erbes und der historischen Selbstreflexion dienen die besonders verdienstvollen letzten Kapitel und schützen den Leser nachhaltig vor einem technisch eingeengten therapeutischen Pragmatismus.

Das theoretisch und methodologisch bedeutsame Werk aus der BAP ist für Lehrende und Lernende der Psychotherapie unverzichtbar und darüber hinaus allen Psychoanalytikern und Tiefenpsychologen dringend zu empfehlen.

Für uns von der AGSP ist es deshalb so erfreulich, weil es die programmatischen Überlegungen unseres zusammen mit WIB (Weiterbildung in Berlin e.V.) gegründeten Instituts für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (IKJP) weitgehend teilt und wir nach ersten Gesprächen auf Kooperation mit der BAP hoffen dürfen.

Kurt Eberhard (Mai 2003)

 

 

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